0754 - Als Carmen sich die Köpfe holte
verstanden? Ich bin da, um sie zu rächen, denn jetzt werde ich dich holen!«
Daher also wehte der Wind!
Komisch, aber beinahe hätte sie gelacht. Im letzten Augenblick beherrschte sie sich, es paßte nicht hier, es paßte nicht zu ihrer Angst. Natürlich war ihr klar gewesen, daß die alten, maurischen Vampire nicht aus eigener Kraft die Kavernen verlassen hatten. Jemand mußte sie befehligt und ihnen erklärt haben, daß sie den jahrhundertealten Schlaf unterbrechen sollten, und dieser Chef, dieser Jefe, dieser mächtige Jemand, war die Gestalt hier am Pool.
Er war gekommen.
Lautlos wie ein Phantom.
Ein böser Schatten mit einem blutigroten D auf der Stirn. Carmen hatte das Zeichen noch nie zuvor gesehen, ihr war nur klar, daß es etwas zu bedeuten haben mußte, doch den Beweis, daß es sich bei dem Ankömmling um einen Vampir handelte, den hatte sie noch nicht bekommen.
Die Situation überdeckte alles andere. Carmen merkte kaum, daß sie auch weiterhin nur Wasser trat und ihre Hände bewegte, um sich an der Oberfläche zu halten. Alles war so schrecklich anders geworden, und ihre Augen fingen an zu brennen.
Trotzdem schaffte sie es, sich zusammenzureißen. »Sie haben es nicht anders verdient gehabt!« keuchte sie der Gestalt über die Wasserfläche hinweg zu. »Ja, sie sind Teufel, sie dürfen nicht freikommen. Sie müssen vernichtet werden.«
»Ich denke nicht so.«
»Das ist mir egal.«
Der Fremde antwortete nicht. Er ging einen Schritt zur Seite, schaute sie reglos an und bewegte schließlich seinen Zeigefinger, indem er ihn einige Male krümmte.
Carmen deutete das Zeichen richtig. Sie sollte aus dem Wasser steigen, damit er es leichter hatte.
Das würde sie nicht tun. Nicht freiwillig. Wenn es sein mußte, würde sie bis zum Morgen schwimmen, und sie hoffte, daß die Sonne bald aufging und ihre goldenen Strahlen über das Land schickte.
So kräftig wie möglich, so heiß es eben ging, denn dann wurde der verfluchte Blutsauger einfach verbrannt. Er würde verschmoren. Sie hatte sich mittlerweile kundig gemacht und konnte sich beinahe schon als eine Expertin für Vampire bezeichnen.
»Wenn Sie mich wollen, müssen Sie mich holen! Ich denke nicht daran, aus dem Pool zu kommen!«
Er lachte nur.
Carmens Gedanken aber beschäftigten sich abermals mit der Existenz der Vampire. Sie hatte gelesen, daß sie Wasser nicht mochten. Gleichzeitig fiel ihr ein, daß es sich dabei um fließendes Wasser handelte, das ihnen gefährlich wurde. Das Wasser im Pool floß nicht. Es stand. Würde es die Schattengestalt trotzdem vernichten können?
Der Bleiche bewegte sich. Plötzlich verschwand seine Hand unter der Kleidung. Als sie wieder hervorkam, hielt sie eine Waffe umklammert. Damit hatte Carmen nicht gerechnet. Sie ärgerte sich darüber, daß sie zusammenzuckte. Für einen Moment schloß sie die Augen, dann holte sie keuchend Luft, was auch der Blutsauger hörte und sich darüber amüsierte. »Wenn du nicht aus dem Wasser kommst, werde ich dich erschießen. Du kannst es dir aussuchen.«
Sie hob den Blick an, wischte Tropfen aus der Augennähe weg und sah jetzt, daß er lächelte.
Nicht das Lächeln eines Menschen. So gemein und hinterhältig grinste nur ein Vampir.
Deutlich schauten die beiden spitzen Zähne aus dem Oberkiefer. Sie waren wie leicht gebogene Speere und gaben einen Schimmer ab, als hätte man sie mit Speichel bemalt.
Was tun?
Es gab keinen, der Carmen zu Hilfe geeilt wäre. Sie blieb auch weiterhin auf sich allein gestellt. Sie wußte nicht, wie sie sich entscheiden sollte. Der Gedanke daran, eine Existenz als Untote weiterzuführen, drückte die Panik in ihr hoch.
Auf der anderen Seite würde er sie erschießen. Ein schneller Tod, aber ein für sie ebenso schrecklicher.
Es gab die laue Sommernacht nicht mehr. Eine eiskalte Bö hatte sie verdrängt und dieser Hauch konzentrierte sich ausschließlich auf sie. Die Wärme des Wassers war hinausgesaugt worden, einfach verschwunden, nur die Kälte drückte alles zusammen.
Es war die Kälte der Angst. Ein Begleiter bis hinein in den Tod. Keine Gnade, weder von der Waffe noch von den Zähnen. Der Vampir war bereit, ihr das Blut zu rauben.
»Ich warte nicht mehr lange!« sagte er nur.
»Ja, ich komme.« Carmen wunderte sich, daß sie noch sprechen und sich dabei auch verständlich ausdrücken konnte. Aber sie hatten in den letzten Sekunden schon einen irrwitzigen Plan geschaffen, der so verrückt war, daß er eigentlich nur klappen konnte,
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