0754 - Als Carmen sich die Köpfe holte
zu kommen, zudem wußte sie nicht, ob es nicht noch zahlreiche dieser Wesen gab, die diese Nacht unsicher machten.
Zum erstenmal hatte sie den Vampir in seiner klassischen Form erlebt. Auch darüber hatte Carmen einiges gelesen, und noch immer kroch ihr ein kalter Schauer über den Rücken.
Sie stand am Fenster, schaute hinaus, hatte sich etwas anderes angezogen und noch etwas getan, an das sie zuvor so gut wie nicht gedacht hatte. Sie hatte sich mit einem Schutz versehen. Das um ihren Hals hängende Kreuz stammte noch von ihrer Großmutter. Ein altes Erbstück, wunderschöne Handarbeit, sehr schwer, fast zu schwer, um es tragen zu können. In diesem Fall jedoch dachte Carmen nicht daran. Sie mußte das Kreuz tragen, sie würde es auch so leicht nicht ablegen, denn nur so konnte sie vor den Untoten einigermaßen sicher sein. Zumindest würden sie beim Anblick des Kreuzes abgeschreckt werden und sich ihr nicht mehr so stark nähern.
Kamen sie wieder?
Würde dieser Bote des Schreckens Nachschub holen? Carmen rechnete mit allem, und sie konnte sich plötzlich vorstellen, daß auf seinen Befehl hin die uralten Blutsauger ihre Kavernen verließen und sich auf den Weg machten, um sie zu suchen.
Jetzt war sie nicht mehr die Jägerin. Sie war zu einer Gejagten geworden.
Dagegen mußte sie sich schützen, und sie sah ein, daß das Kreuz allein nicht ausreichte. Vampire konnte man auch mit anderen Mitteln bekämpfen, vielleicht mit zugespitzten Eichenpflöcken, mit Knoblauchstauden und Salz…
Vieles schoß ihr durch den Kopf, nur schaffte sie es nicht, die Dinge in eine richtige Reihenfolge zu bringen. Dafür war sie einfach zu durcheinander.
Carmen hielt sich hinter dem geschlossenen Fenster auf. Ihr Blick tauchte ein in die tiefe Nacht. Er glitt hoch in den Himmel, wo der Mond als blasses Auge stand und die Sterne wie kleine Splitter funkelten. Der Vampir war nicht zu sehen. Carmen strengte sich dabei an. Ihre Augen fingen an zu tränen, sie entdeckte ihn trotzdem nicht.
War er weg?
Sie hoffte es. Aber sie wußte auch, daß sie in dieser Nacht keine Ruhe mehr finden würde. Eigentlich hätte es ihrem Naturell entsprochen, jetzt einen Menschen aufzusuchen, mit dem sie über ihre Probleme reden konnte, das wiederum war ihr ebenfalls nicht möglich. Mit wem konnte sie denn darüber reden?
Mit dem Personal?
Manuel, der Butler, der Gärtner, der Chauffeur, die Köchin, die beiden Stubenmädchen, sie hätten sie angehört, auch sicherlich Mitleid mit ihr gezeigt, aber das wäre auch alles gewesen. Ihr wahres Denken hätten sie nie gezeigt, denn bestimmt hielten sie ihre Chefin für eine Spinnerin. Carmen wäre es vor einigen Wochen nicht anders ergangen.
Sie setzte sich in einen Sessel, holte Zigaretten, rauchte hastig und dachte nach.
Es gab nur einen, an den sie sich wenden konnte.
Eben John Sinclair!
Der aber hatte sich stur gezeigt. Sie spielte schon mit dem Gedanken, ihn noch einmal anzurufen, entschied sich jedoch dagegen. Sie wollte ihm die Nachtruhe gönnen.
Dennoch blieb für sie die Tatsache bestehen, daß er ihr allein helfen konnte. Und sie würde deshalb auch so schnell wie möglich nach London reisen, um ihn zu treffen.
Aber nicht allein.
Ihre Hände bekamen einen Schweißfilm, als sie an gewisse Vorbereitungen dachte. Sie mußte nicht nur noch einmal in den Keller, sondern auch mit gewissen Leuten im Innenministerium telefonieren und auch die Tickets für sich und John Sinclair bestellen.
Wenn sie in London eintraf und alles so blieb, wie sie es sich vorgestellt hatte, dann würde ihm gar nichts anderes übrigbleiben, als hier nach Spanien zu kommen…
***
Am nächsten Morgen fragte mich Suko, ob ich noch von dem Anruf geträumt hatte.
»Nein.«
»Auch nicht vom Urlaub?«
»Das schon eher.«
»Und wann willst du mit Sir James darüber sprechen?«
Ich verdrehte die Augen. »Himmel, wir haben Samstag. Ich weiß es noch nicht, wann ich den Alten besuche.«
Suko, im Jogginganzug, er war schwarz mit gelben Streifen, nickte mir zu. »Es ist dein Bier, John. Ich für meinen Teil werde ein wenig laufen.«
»Viel Spaß.«
»Kann ich dich nicht dazu überreden?«
»Auf keinen Fall.«
»Dann bis später.«
Ich ging wieder zurück in die Wohnung und setzte mein Frühstück fort. Es war mittlerweile zehn Uhr geworden, schon ziemlich warm draußen, und ich dachte daran, daß ich zwar lange geschlafen hatte, mich aber trotzdem nicht fit fühlte.
Ich hatte meinen Freund angeschwindelt. Natürlich
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