0754 - Als Carmen sich die Köpfe holte
der die Reihe seiner angetretenen Soldaten begutachtete.
Der Raum hier war zumindest so kühl, daß sie den Gestank nicht so intensiv wahrnahm. Zudem schloß die von ihr extra eingebaute Tür fugendicht. Der Geruch konnte also nicht nach außen dringen.
Wie viele Schädel würden noch hinzukommen?
Platz genug war noch. Mehr als die doppelte Menge paßte noch auf das Regal. Carmen quälte sich wieder mit einem Gedanken herum, der sie einfach nicht loslassen wollte.
Sie kannte die Anzahl der uralten, maurischen Vampire nicht, die sich in den Felsenkavernen der verfallenen Burg aufhielten. Das konnten möglicherweise Hunderte sein.
In der letzten Nacht hatte sie zwei Blutsauger erledigen können. In dieser Nacht wollte sie zu Hause bleiben, aber nicht untätig sein, denn der Gedanke an John Sinclair drängte sich immer stärker in ihr auf. Der Mann mußte einfach Bescheid wissen, und sie hatte auch schon entsprechende Vorbereitungen getroffen.
Carmen kannte die Telefonnummer des Geisterjägers. Sie hatte sich die Zahl notiert und den Zettel so aufbewahrt, daß ihn kein anderer finden konnte.
Es war auch noch nicht zu spät, um ihn in London anzurufen. Ja, in dieser Nacht würde sie es tun.
Hoffentlich konnte sie ihn auch davon überzeugen, nach Spanien zu fliegen.
Noch einen letzten Blick warf sie auf die fratzenhaften Gesichter der Köpfe. Dann drehte Carmen sich scharf um und verließ den Ort des Schreckens. Sie schloß die Tür wieder sorgfältig ab, eilte den Weg zurück und fand sich sehr bald in ihrem Zimmer wieder.
Auf dem Gesicht lag ein dünner Schweißfilm. Sie fand es im Raum stickig und öffnete das Fenster.
Der Pool lockte.
Er lag im ersten Mondlicht wie ein geheimnisvoll glänzendes Kleinod. Der Gärtner war verschwunden. Ein leichter Wind strich über die Oberfläche hinweg und spielte mit den Wellen. Es machte aus der Fläche ein kräuselndes Muster.
Carmen verspürte einen wilden Drang, sich in das Wasser zu stürzen. Zuvor mußte sie noch etwas erledigen.
Aus ihrem Schreibtisch holte sie den Zettel mit der Telefonnummer John Sinclairs hervor.
Carmen war viel zu nervös, um untätig herumzusitzen. Sie nahm das tragbare Telefon und tippte die Zahlen ein, während sie unruhig in ihrem Zimmer auf- und abwanderte.
Hoffentlich spielte Sinclair mit - hoffentlich!
***
Wir hatten einen Mai wie selten!
Nicht nur am Tage mit sehr sommerlichen Temperaturen, auch die Nächte waren bereits so lau, daß man ohne weiteres im Freien bleiben konnte, um einen oder zwei Schlucke zu trinken, sich den Sternenhimmel anzuschauen und darüber nachzudenken, wie schön die Welt doch eigentlich sein kann, wenn sie nicht gerade von irgendwelchen dämonischen Wesen aus anderen Dimensionen überfallen wurde, wie Suko und ich es bei unserem letzten Fall erlebt hatten, wo eine Blutbuche mehreren Menschen zum Schicksal geworden war.
Das lag hinter uns. Wo uns der nächste Weg hinführte, wußten wir nicht.
Eigentlich hätten wir ausgehen sollen. In irgendeinem Restaurant oder Garten im Freien feiern, doch dazu fehlte uns beiden der Nerv. Der letzte Fall hatte uns sehr bedrückt, wir brauchten Abstand, wir mußten darüber reden, aus diesem Grunde hatten wir es vorgezogen, im Haus zu bleiben. Das Los hatte entschieden, daß wir uns auf meine Wohnung konzentrierten und vor dem weit geöffneten Fenster unsere Plätze gefunden hatten. Es war zwar nicht romantisch, aber der Himmel war derselbe wie auch an anderen Orten, wo jetzt der Bär los war und das Bier schäumte.
Für Bier hatte ich ebenfalls gesorgt und war bei Suko nicht auf taube Ohren gestoßen. Bei diesem Wetter tat der abendliche Schluck eben doppelt so gut.
Auch Suko hatte seine frühere Aversion gegen das Getränk längst überwunden und war zu der Überzeugung gelangt, daß es sich als Durstlöscher bestens eignete.
»Brauchst du ein Glas?« fragte ich.
»Nein.«
»Dann verzichte ich auch.« Ich warf Suko die kalte Dose zu und behielt eine für mich.
Zugleich rissen wir die Laschen auf und lauschten beide dem Zischen, das in mir ein Gefühl der Vorfreude auslöste. Wenig später zischte das Bier dann in meine Kehle hinein, und das erweiterte sich zu einem Genuß, den ich kaum beschreiben konnte. Ich wollte die Büchse gar nicht mehr absetzen, als ich es dann trotzdem tat, klatschte mein Freund Suko Beifall.
»Gratuliere, John, das war weltmeisterlich.«
Ich winkte ab. »Hör auf, ich hatte Durst.« Schaum klebte an meinen Lippen. Ich wischte ihn
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