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0754 - Der Zeitsauger

0754 - Der Zeitsauger

Titel: 0754 - Der Zeitsauger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Constantin
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wiegen - und dann würde er zuschlagen.
    Dann würde er sein Leben aussaugen wie das so vieler anderer zuvor…
    ***
    Kathy Harrolds holte den erfrischten Professor Zamorra am Hotel ab und fuhr ihn zur Polizeistation.
    Als Erstes konnte er feststellen, dass bei einer Stadt in der Größe von Manchester auf der zentralen Polizeiwache auch abends noch einiges an Betriebsamkeit zu erkennen war.
    Polizisten schleppten protestierende Betrunkene heran, um sie in Ausnüchterungszellen zu verfrachten, verhörten Verdächtige und Zeugen, die an Schlägereien beteiligt waren, und vertraten sich ansonsten die Füße in den Korridoren, meistens mit Bechern mit Automatenkaffee in den Händen.
    »Wir müssen in das Untergeschoss«, kündigte Kathy an. »Ich weiß nicht, warum Leichenhallen immer im Keller sein müssen. Möglicherweise ist es nur die Tradition, dass man Tote schon mal so weit wie möglich unter dem Erdboden aufbewahrt -schon bevor man sie begräbt.«
    »Vielleicht hat es etwas mit den Energiekosten zu tun«, mutmaßte Zamorra. »Die Leichen dürften im Keller leichter kühl zu halten sein.«
    Während sie sprachen, führte Kathy ihn durch eine beachtliche Anzahl von Korridoren, die alle von Neonlampen in ein steriles, helles Licht getaucht wurden. Schließlich kamen sie zu einer Treppe, die ins Untergeschoss führte.
    In der Leichenhalle trafen sie den Pathologen, der an diesem Tag zum Spätdienst eingeteilt war. Er stellte sich als Dr. Burghley vor.
    Er war ein älterer, fast kahlköpfiger Mann, der angesichts der Abwechslung von der normalen abendlichen Routine, die der Besuch von Zamorra und Kathy für ihn bedeutete, geradezu absurd fröhlich wirkte.
    Überhaupt schien Dr. Burghley sich alle Mühe zu geben, das Klischee des pietätlosen Gerichtsmediziners zu erfüllen. So hatte er, während er seinen Besuchern mit der rechten Hand die Hände schüttelte, in der linken ein noch verpacktes Hühnchensandwich, das er auspackte, als sie sich daran machten, die Leiche zu begutachten.
    »Ein hochinteressanter Fall«, sagte Burghley im Plauderton und nahm einen Bissen von seinem Sandwich.
    »Keine Gewalteinwirkung, keinerlei Hinweis auf irgendeinen äußeren Einfluss. Eigentlich ist sie mehr eine medizinische Kuriosität als ein Fall für die Gerichtsmedizin.«
    Aufmerksam betrachtete Zamorra den Körper der alten Frau.
    Des Mädchens, berichtigte er sich in Gedanken grimmig.
    Aber es war schwer, in dem ausgemergelten Körper, der vor ihm lag, jemanden zu sehen, der sein Leben eigentlich noch vor sich hatte. Die Haut war runzlig, das Rückgrat verkrümmt, die Hände zu gichtigen Klauen verformt.
    Alter konnte etwas Schreckliches sein.
    Dr. Burghley plapperte fröhlich weiter.
    »Die Frage ist eigentlich nicht, woran sie gestorben ist - was wir Pathologen ja üblicherweise herausfinden müssen. In ihrem Fall ist die Fragestellung ganz anders gelagert. Was uns bei dieser Frau verwirrt, ist vielmehr die Frage, wie sie wohl so lange überlebt hat. Schauen Sie sich an, wie sie aussieht. Wir können ihr Alter leider nur schätzen, aber was die körperlichen Verfallserscheinungen angeht…« Der Pathologe zuckte mit den Schultern. »Nun ja. Die Organe sind allesamt in einem fürchterlichen Zustand. Die Leber hat sich so gut wie aufgelöst. Die Nieren sind auch in keiner besseren Verfassung. Und mit ihrem Herzen sieht es auch nicht gerade rosig aus. Wahrscheinlich ist es im Endeffekt auch das Herz gewesen, das sie umgebracht hat. Ein mehrfacher Herzinfarkt ist jedenfalls klar nachweisbar. Obwohl auch mehrere andere Todesursachen in Betracht kämen.«
    Der Mediziner machte eine Pause, um einen Bissen von seinem Hühnersandwich abzubeißen.
    Zamorra bemühte sich, nicht hinzusehen, und fragte sich, ob der Pathologe seinen berühmten Kollegen im Fernsehen nacheifern wollte, oder ob man in diesem Beruf wirklich so abstumpfte, dass man jeden Respekt vor den Toten verlor.
    »Also haben einige Organe versagt und sie ist an einem Herzinfarkt gestorben«, fasste er die Aussage des Pathologen zusammen. »Was ist daran so ungewöhnlich?«
    »Oh, ungewöhnlich ist nicht, dass ihre Organe versagt haben«, antwortete Dr. Burghley. »Ungewöhnlich ist, dass sie es nicht schon viel früher getan haben. Und denken sie mal an ihr Immunsystem! In dem Zustand, in dem ihr Körper ist, dürften ihre Abwehrkräfte gleich Null sein. Eigentlich müsste diese Frau schon vor Jahren an allen möglichen Krankheiten gestorben sein. Lungenentzündung,

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