0756 - Tod über der Tunguska

zu haben. Schon das plötzliche Verschwinden des Amuletts aus seinen Händen hatte ihn misstrauisch werden lassen. Er begab sich wieder in die Dimension des Khergu. Und dort, in der Geisterwelt, erfuhr er die nüchterne Wahrheit.
    Nicole Duval war keinesfalls eine Agentin der bösen Kräfte des Kosmos. Vor dieser Tatsache hatte Thaagu die Augen verschlossen. Und nun war die Katastrophe eingetreten, vor der er und seine Stammesbrüder sich so sehr gefürchtet hatten.
    Ihre Welt brannte. Ein großer Teil des Siedlungsgebietes der tungusischen Nomaden hatte sich in eine Flammenhölle verwandelt. Ganze Rentierherden waren innerhalb von Sekundenbruchteilen gegrillt worden.
    Thaagu selbst war mit dem Leben davongekommen, doch die Schande lastete schwer auf der Seele des Neunzigjährigen. Er erkannte nun, dass seine eigene Gier nach dem magischen Werkzeug der Französin seinen Geist verwirrt und seinen Blick getrübt hatte.
    Einige Geister im Khergu behaupteten immerhin, dass Nicole Duval die Explosionen überlebt habe.
    Der Schamane bereute seine Taten. Wenn Nicole wirklich verbrannt war, dann hatte er, Thaagu, sie auf dem Gewissen und kein anderer. Da machte er sich nichts vor. Zudem befürchtete er nun, durch seine Charakterschwäche bei seinem Gott Bil in Ungnade gefallen zu sein. Der Bärenköpfige hatte sich schon lange nicht mehr sehen lassen und auch auf die Anrufungen durch den Schamanen nicht reagiert.
    Doch da ertönte plötzlich eine neue Stimme im Khergu. Eine mächtige, befehlsgewohnte Stimme, der Thaagu nichts entgegensetzen konnte. Jedenfalls nicht in seinem angeschlagenen Zustand.
    »Du hast einen Herren verloren, Schamane«, dröhnte die Stimme. »Aber du wirst einen viel besseren und mächtigeren bekommen.«
    »Wen denn?«, hörte Thaagu sich fragen.
    »Mich, selbstverständlich. Ich verlange von dir nichts anderes als absoluten Gehorsam. Dann mache ich dich zum mächtigsten Schamanen in deinem Land.«
    Zum mächtigsten Schamanen…
    Thaagu, der nur kurze Zeit im Besitz von Zamorras Amulett gewesen war, hatte die süße Verlockung von ungeheurer Macht zu spüren bekommen.
    Und diese Aussicht war stärker als sein Charakter.
    Thaagu wusste nun, dass Nicole auf der Seite des Guten stand. Und die geheimnisvolle Stimme, die in der Geisterwelt auf ihn einredete, ließ nichts Gutes vermuten. Und trotzdem…
    Eine Frage lag dem Schamanen auf der Zunge.
    »Verzeih, aber… bist du für die Explosionen und Brände verantwortlich, die seit heute Morgen meine Welt erschüttern?«
    »Selbstverständlich. Also, willst du mir dienen?«
    »Ja, ich will«, sagte der Teil von Thaagus Seele, der sich dem Bösen unterwarf.
    »Kennst du denn auch meinen Namen?«
    »Ja, den kenne ich. Seit anfangsloser Zeit wirst du die Große Schlange genannt.«
    »Das ist richtig«, bestätigte die dämonische Stimme. »Ich bin die Große Schlange!«
    ENDE des ersten Teils
    [1] Russische Kleinbauern
    [2] Führender russischer Anarchist jener Zeit
    [3] Siehe Professor Zamorra Nr. 250 »Der Höllensohn«, Professor Zamorra Nr. 251 »Der Erbe des Bösen«
    [4] Siehe Professor Zamorra Nr. 655 »Der Tod in Moskau«
    [5] Russische Zigaretten mit Pappmundstück
    [6] Siehe Professor Zamorra Nr. 737 »Asha Devis Höllenfahrt«
    [7] Siehe Professor Zamorra Nr. 500 »Die Quelle des Lebens«, und folgende
    [8] Siehe Professor Zamorra Nr. 562 »Die Zeit der Reptilien«, Professor Zamorra Nr. 563 »Die Rückkehr des Echsengottes«
    [9] Längenmaß, die ›russische Meile‹. 1 Werst = 1066,781 m