0758 - Die Katzenfrau
aber er lief eben frei herum. Er arbeitete sogar im Dienste des Gesetzes, obwohl er diese schreckliche Tat begangen hatte.
Mit dieser Tatsache wurde Sir James nicht fertig. Die wollte ihm nicht in den Kopf, denn sie ging gegen seine Einstellung. Er konnte die Worte des Innenministers nicht akzeptieren. Seiner Ansicht nach hatte es sich der Mann zu leicht gemacht. Sir James dachte daran, daß er eben keine Maschine war, sondern ein Mensch. So leicht ließ sich die Tat nicht wegstecken.
Er betrat den Wohnraum, wo er sich in einen Sessel setzte. Neben ihm lag die Fernbedienung, doch in die Glotze schauen wollte er auch nicht. Es hätte ihn nicht abgelenkt. Er hatte das Fenster gekippt. Kühle Luft wehte durch den Spalt und strich durch das Zimmer. Er fühlte den Hauch auf seinem schweißbedeckten Gesicht und hörte sich selbst überlaut atmen.
Daß er diese Tat begangen hatte, wußten nur die wenigen Eingeweihten, und die würden schweigen.
Das erlöste ihn nicht von seinen Problemen. Das Gewissen würde ihn weiter belasten. Er konnte sich jetzt noch nicht vorstellen, seine Arbeit wieder normal aufzunehmen. Was würden Glenda, John und Suko von ihm denken? Sie würden mit einem Mörder zusammenarbeiten, sie konnten doch keine Aufträge mehr von ihm annehmen, ohne daß sie daran dachten, was er getan hatte.
»Ich muß da raus!« flüsterte er, »und ich muß mich aus dieser Lage allein herauswinden. Es ist alles so schrecklich. Ich bin gefangen worden. Ich kann ja keinem mehr in die Augen schauen, ohne daran denken zu müssen, daß die anderen immer sagen, daß ich ein Mörder bin. Der Spuk hat es geschafft. Er ist derjenige, der den Keil zwischen mich und meine Mitarbeiter getrieben hat.«
Natürlich hatte er mit ihnen geredet, auch Glenda Perkins wußte inzwischen Bescheid. Sie hatte es ebenso akzeptiert wie auch die anderen, und natürlich war kein Wort des Vorwurfs über ihre Lippen gedrungen. Auch die anderen hatten ihn nicht angeklagt, sondern ihn immer wieder nur verteidigt.
Sir James hätte darüber froh sein können, er war es trotzdem nicht. Das lag nicht an den anderen, sondern an ihm. Er war ehrlich genug, dies zuzugeben, denn er selbst kam einfach nicht darüber hinweg. Diese Tat würde ihn Zeit seines Lebens belasten und ihn dabei auch in seinen Aktivitäten einengen.
Schuldgefühle, sehr starke Schuldgefühle quälten ihn. Vielleicht hätte es ihm geholfen, wenn er mit anderen darüber geredet hätte, aber das wollte er nicht. Er hatte sich die Suppe eingebrockt, und er wollte sie auch auslöffeln.
Ganz allein, ohne die Hilfe eines anderen.
Möglicherweise gab es einen Weg, wie er allein aus der sein Inneres bedrängenden Lage herauskam.
Er mußte etwas tun, sich durch diese Tat befreien, und er würde den Weg allein gehen. Da durfte ihn kein anderer begleiten.
In den letzten einsamen Nächten hatte er über dieses Problem ebenfalls schon gegrübelt, war aber nie zu einem Ergebnis gekommen. Heute sah es anders aus.
Er hatte eine Idee.
Sir James ließ die Hände, die bisher seinen Kopf gestützt hatten, sinken. Seine Stirn legte sich in Falten. Die Idee wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf. Möglicherweise war es ja der Weg, den er nehmen konnte.
Er hatte natürlich nachgeforscht und wußte auch, wie die Tote hieß. Ginger Mitchell. Ihre Leiche war noch nicht freigegeben worden. Soviel er wußte, sollte die Beerdigung in zwei Tagen stattfinden. Bis dahin konnte er noch einiges unternehmen, und die Idee nahm allmählich Formen an. Er schämte sich auch dafür, daß er sich zuwenig um sein Opfer gekümmert hatte. Hinter jedem Namen stand ein Leben, ein Schicksal, auch eine Familie.
Das war der springende Punkt.
Er würde es sich nicht leicht machen. Er würde am nächsten Tag die Familie der Toten besuchen.
Erste Informationen hatte er sich bereits darüber geholt.
Ginger Mitchell hatte mit ihrer Mutter zusammen in einem kleinen Haus gelebt. Die Frau hieß Rena Mitchell, und soviel Sir James wußte, war sie nicht mehr verheiratet. Vielleicht hatte sie ihre Tochter allein großgezogen, und ausgerechnet dieser Frau hatte Sir James das Liebste genommen.
Alles war weg.
»Mein Gott, das ist furchtbar!« keuchte er. »Was habe ich nur getan?« Abermals überkamen ihn Anflüge von Depressionen. Schlimmer noch als in den letzten beiden Nächten.
Es ging ihm so schlecht, daß ihm am gesamten Körper der Schweiß ausbrach. Wieder spürte er den Druck im Magen, auch das Herz schlug schneller.
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