0758 - Mörder aus der Spiegelwelt
kündige ich dir mit sofortiger Wirkung die Freundschaft.« Nicole Duval hatte sich inzwischen ein wenig beruhigt, doch in jedem ihrer Worte schwang der brodelnde Vulkan mit, der sich selbst nur mit Mühe am Ausbruch hindern konnte.
Zamorra schwieg, denn er kannte Robin gut genug. Der Polizist musste knallharte Gründe für sein Vorgehen haben, und die würde er ihnen jetzt sicherlich mitteilen.
Wortlos schob der Chefinspektor das Band in das Abspielgerät, das in einem Regal an der Rückwand des Büros stand, und drehte den daneben befindlichen kleinen Monitor so, dass Zamorra und Nicole die Szene gut sehen konnten.
Nur wenige Sekunden später war jede Farbe aus dem Gesicht der schönen Französin gewichen. Zamorra hatte sich wie in Zeitlupe von seinem Stuhl erhoben und beobachtete den Monitor mit versteinerten Gesichtszügen. Als das Band stoppte, holte er hörbar Atem.
»Bitte noch einmal, Pierre«, sagte er leise.
Kommentarlos erfüllte Robin ihm den Wunsch.
Die beiden traten dicht an den Monitor heran, aber dadurch sahen sie auch nichts anderes als beim ersten Mal.
»Ich hätte nicht gedacht, dass er mit dieser Methode versucht, uns loszuwerden.« Zamorra sah zu Nicole, die nach wie vor kreidebleich war. Einem offenen Kampf war sie noch nie ausgewichen, aber das hier war eine neue Spielart in den ständigen Auseinandersetzungen, in die sie und Zamorra verwickelt waren. Zudem hatte eine ihrer Freundinnen dabei das Leben verloren. Nicole war entsetzt darüber.
»Wer - er?« Pierre Robin schaltete das Gerät auf Standbild und deutete auf die Mordszene, die sich dort den Betrachtern bot. »Du willst mir hier doch jetzt nicht die Doppelgänger-Theorie unterjubeln, Zamorra. Das wird dir kein Aas abnehmen. Nicht einmal ich.«
Der Professor der Parapsychologie sah dem Chef inspektor direkt in die Augen. »Hast du den Abend vergessen, an dem ich dir von der Spiegelwelt erzählt habe, Pierre?«
Nein, das hatte er nicht. Und beim zweiten Betrachten des Bandes war ihm Zamorras Bericht in den Sinn gekommen.
Zamorra hatte ihm vom Entstehen der sogenannten Spiegelwelt berichtet. Ausgelöst durch ein Zeitparadoxon, spaltete sich dieses komplette Multiuniversum von dem unseren ab. Erreichbar nur mittels Transport durch die Regenbogenblumen, bildete diese Welt eine ständig wachsende Gefahr für unsere Erde, denn die dort existierenden Lebewesen waren schlicht und ergreifend visuell gesehen perfekte 1:1 Kopien, deren Charakterzüge jedoch nahezu immer das exakte Gegenteil ihres hier lebenden Gegenparts darstellten.
Es gab also auch einen Spiegelwelt-Robin, der möglicherweise ebenfalls eine Polizeikarriere eingeschlagen hatte, dort dann aber garantiert durch Korruption und Kontakt zur Unterwelt glänzte. Vielleicht war er aber auch ein kleiner Gauner oder sogar bezahlter Killer. So zumindest hatte Zamorra dem Chefinspektor die Sache erläutert. Der Spiegelwelt-Zamorra war einer der härtesten und gnadenlosesten Gegner, denen das Zamorra-Team je gegenübergestanden hatte. Sein Ziel war es, Fürst der Finsternis zu werden. Und wer sich ihm dabei in den Weg stellte, der wurde beseitigt -so oder so.
Mehr als einmal hatte Zamorra sich der Angriffe seines Spiegelzwillings erwehren müssen. Und nun glaubte der Professor offensichtlich, dass dies hier erneut auf dessen Konto ging.
»Er will sich auf elegante Weise meiner entledigen.« Zamorra hatte sich wieder gesetzt. »Dabei weiß er natürlich nur zu genau, in welche Zwickmühle er mich damit bringt.«
Pierre Robin verstand nicht. »Nun mal langsam. Wenn du für diesen Mord hinter Gitter liehst, gibt es keine Zwickmühle mehr, sondern nur noch eine Sackgasse.«
Der Parapsychologe schüttelte den Kopf, doch Nicole übernahm die Antwort für ihn. »Pierre, du kennst unsere Gegner, unseren Kampf. Es gibt niemanden, der ihn für uns austragen könnte, wenn wir schachmatt gesetzt würden. Es geht nicht um uns, zumindest nicht vorrangig. Es geht um die Welt, um alle Menschen. Du weißt längst nicht alles, aber die Waagschale zwischen gut und böse neigt sich nie wirklich zu unseren Gunsten. Es ist immer ein Drahtseilakt.« Nicoles Zeigefinger klopfte gegen den Monitor. »Damit will er uns zu Handlungen zwingen, die möglichst unseren Tod bewirken. Er weiß genau, dass wir nicht ohne Gegenwehr lebenslang ins Gefängnis wandern würden. Wir dürften es nicht!«
Pierre Robin versuchte zu verstehen. Ein Zamorra hinter Gittern würde wahrscheinlich, nein, sogar sicher eine
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