076 - Die Nacht der Zombies
Raffael Amalfi setzte den Topf an und trank die zwölf oder dreizehn Liter der stechend und unangenehm riechenden Flüssigkeit. Er schüttelte sich.
„Puh! Ein wenig wohlschmeckender hättest du das Zeug wirklich machen können, Coco. Das zieht einem ja die ganzen Eingeweide zusammen."
„Das läßt sich nicht ändern. Kannst du jetzt noch die Dämonenbanner schlucken, Raffael?" „Natürlich. Schließlich bin ich der Mann mit dem Supermagen."
Coco gab dem Zigeuner Amulette, gnostische Gemmen, Dämonenbanner und Talismane, die sie im Koffer gehabt hatte. Raffael Amalfi schluckte alles, ohne mit der Wimper zu zucken. Zuletzt kam der silberne Dolch an die Reihe.
Dann klopfte sich Raffael Amalfi auf den beachtlich angeschwollenen Bauch. Es klirrte und gluckerte darin.
„Hohoho! Von mir aus kann es losgehen, Coco."
Coco verbarg das kleine Blasrohr mit den silbernen Pfeilen unter der Bluse und nahm die Fackel in die Hand. Raffael Amalfi schaute sie bewundernd an. Mit ihren blitzenden Augen und der rassigen Figur erinnerte sie ihn an eine Amazone oder sagenhafte Kriegsgöttin, wie sie so dastand, die Fackel in der Hand. Sie trug hellblaue, weiß-bestickte Baumwolljeans und zog nun eine leichte Jacke aus dem gleichen Material über die Bluse, deren oberste Knöpfe offenstanden. Um den Hals trug sie eine gnostische Gemme mit einem Abraxas. Coco steckte einen dünnen schwarzen Schleier ein, damit sie nötigenfalls ihr Gesicht verbergen konnte.
„Komm, Raffael! Zuerst werde ich für dich eine Waffe besorgen, mit der du gegen die Untoten kämpfen kannst. Dann schlagen wir uns zum Hotel Royal durch."
Raffael stapfte zum Tisch, warf ihn um und riß ein Tischbein ab. Der Zigeuner hatte Bärenkräfte. „Sie sollen nur kommen", sagte er, das Tischbein in der Hand.
Coco und Raffael verließen die Hütte. Das Dorf lag wie ausgestorben da. Niemand wagte sich auf die Straße.
Die junge Frau und der Zigeuner erreichten die Buden und Stände. Viele waren noch erleuchtet; man sah, daß die Besitzer in aller Eile und panischer Angst geflohen waren. Untote sahen Coco und Raffael vorerst nicht.
Sie gingen zu der Wellblechhütte, in der ein Zauberkünstler aus Jamaika mit seiner Familie wohnte. Der Zauberkünstler pflegte seine Frau in einen Korb zu setzen und von allen Seiten scharfe Schwerter hindurchzustechen. Eines dieser Schwerter wollte Coco für sich haben; die Fackel sollte dann Raffael Amalfi bekommen.
Sie klopfte an die Tür der Hütte. Es regte sich nichts. Erst als Coco mit der Faust dagegenhämmerte, hörte sie drinnen ein Geräusch.
„Hier sind zwei Lebende!" rief Coco. „Wir wollen euch nichts antun. Wir brauchen lediglich eine Waffe von euch."
„Wer seid ihr?" wisperte der Magier hinter der Tür. „Weshalb seid ihr in der Nacht der Toten unterwegs?"
„Wir wollen das Grauen beenden. Gib uns eines deiner Schwerter! Wir brauchen die Waffe."
Der Zauberkünstler tuschelte in der Hütte mit jemandem. Eine Minute verging, dann öffnete er die Tür einen Spalt und reichte ein blitzendes Schwert heraus. Coco nahm es und gab Raffael die Fackel. Der Zigeuner warf das Tischbein weg.
Der schwarze Jamaikaner musterte die junge Frau und den stämmigen Zigeuner.
„Versteckt euch irgendwo!" ermahnte er sie. „Seid nicht verrückt! Im Radio ist durchgegeben worden, daß der Ausnahmezustand ausgerufen wurde. Alle Menschen in Port-au-Prince und Umgebung sollen in ihren Häusern und Wohnungen bleiben. Der Polizeipräfekt hat gesagt, daß er Herr der Lage sei."
Das war eine Lüge. Wahrscheinlich saß der Polizeipräfekt jetzt bereits zitternd im Keller der Sendestation oder sonstwo und flehte zu allen Voodoo-Gottheiten, ihn zu beschützen.
„Bleib du in deiner Hütte!" sagte Coco zu dem Jamaikaner, dessen Zähne wie das Weiße seiner Augen in der Dunkelheit schimmerten.
Der Zauberkünstler schloß die Tür und verrammelte sie wieder. Coco und Raffael Amalfi aber machten sich auf den Weg zur Stadt. Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie vom alten französischen Fort her schauriges Geheul und Geschrei hörten. Der Wind trug ihnen die Geräusche zu. Im Fort mußte die Hölle los sein.
„Wir können uns nicht darum kümmern", sagte Coco. „Wir müssen zum Hotel Royal."
Sie marschierten das kurze Stück an der Küste entlang nach Port-au-Prince. Unterhalb der steilen Felsküste lag das Meer; die Kämme der mit der Flut her anrollenden Wogen glänzten silbrig im Mond- und Sternenlicht. die Straße wurde von
Weitere Kostenlose Bücher