076 - Die Nacht der Zombies
der immer noch die Machete in der Hand hielt, erreichten die Hütte des Zigeuners. Sie traten ein und schlossen die Tür ab. Coco sagte Raffael, er sollte den größten Topf in der Hütte halb mit Wasser füllen und auf der Kochplatte erhitzen. Sie selber. stellte die Theriakflaschen und -tuben bereit. Sie wollte das Zeug ins kochende Wasser geben, umrühren und über dem Sud Zaubersprüche murmeln.
Coco schwebte ein bestimmter Plan vor, wie sie Klingor Alkahest töten konnte. Sie war keine Killerin, aber ehe sie zuließ, daß unzählige unschuldige Menschen einen grauenhaften Tod fanden, wollte sie den Dämon Klingor Alkahest vernichten. Doch dazu mußte sie zuerst einmal wissen, wo er sich befand.
Ein flüchtiges Lächeln huschte über Cocos aparte Züge. Daß sie nicht gleich daran gedacht hatte! Klingor Alkahest hatte die Dämonen von der Insel geschickt. Doch er mußte damit rechnen, daß der eine oder andere seine Warnungen und seine Aufforderung, Haiti zu verlassen, nicht mitbekommen hatte. Klingor Alkahest mußte also einen Stützpunkt haben, von dem aus er operierte. Sicher teilte er den noch auf der Insel befindlichen Dämonen auf magische Weise mit, wo sich dieser Stützpunkt befand, damit sie sich vor den Zombies dorthin flüchten konnten.
Coco versuchte den einfachsten magischen Zauber, um es zu ergründen. Sie holte sich ein Blatt Papier, einen Bleistift und einen Spiegel. Raffael Amalfi beobachtete sie gespannt. Coco hielt den Bleistift locker in der Faust und sah in den Spiegel. Sie murmelte einen einfachen Spruch und malte mit dem Bleistift einen primitiven magischen Kreis auf das Blatt. Das klare Spiegelglas wurde rauchig, und in diesem Rauch erschienen Buchstaben, in Spiegelschrift, doch das machte Coco keine Schwierigkeiten. Sie kritzelte die Buchstaben eilig auf das Blatt Papier, dann legte sie Spiegel und Bleistift weg.
Hotel Royal Port-au-Prince hatte sie niedergeschrieben. Dazu war sogar noch der Name des Stadtteils im Spiegel erschienen. Mehr konnte man wirklich nicht verlangen.
Raffael Amalfi war von dieser einfachen Demonstration von Cocos Hexenkunst beeindruckt.
Er räusperte sich. „Jetzt wissen wir also, wo Klingor Alkahest sich aufhält. Aber wie können wir ihm beikommen?"
„Du spielst eine sehr wichtige Rolle dabei", sagte Coco. „Sobald der Theriaksud zubereitet und abgekühlt ist, ziehen wir los."
Sie erklärte Raffael Amalfi, was sie von ihm erwartete. Es war eine Aufgabe, die genau auf ihn zugeschnitten war. Raffael Amalfi stimmte zu, ohne zu zögern. Er war ein tapferer Mann. Sein Herz war nicht weniger groß und stark als, sein Supermagen.
Auf dem elektrischen Herd begann das Wasser im Topf bereits zu brodeln und zu zischen.
Furchtbares geschah in der Nacht des Schreckens überall in Port-au-Prince und in der Umgebung der Hauptstadt. Die Toten, deren Körper noch nicht verwest waren, mordeten, und die Gemordeten wurden gleichfalls von dem Voodoo-Zauber belebt.
Als die ersten Schreckensnachrichten eingetroffen waren, begab sich der Präsident mit seiner Leibwache in den bombensicheren Keller seines Palastes. Dort hockte er zitternd hinter schweren stählernen Tresortüren und begriff, daß es eine größere und stärkere Macht als ihn im Lande gab: Papaloa Boumba, den obersten Priester des Voodoo.
Trommeln dröhnten durch die Nacht, und in ganz Haiti tanzten die VoodooAnhänger um ihre Feuer. Immer wieder sangen sie:
„O Maitre-Cimetiere-Boumba, gib uns die Toten! Cimetiere-Boumba, gib uns die Zombies, gib uns die Zombies, großer Ghede, daß sie kämpfen können für Papaloa Boumba und den Voodoo!" Schwarze Hähne und Stiere wurden geopfert.
Papaloa Boumba hatte den Tag in Port-au-Prince in seiner festungsartigen Villa verbracht. Gegen Abend suchte er die alte Pflanzung auf und wartete auf die Toten.
Und sie kamen.
Die Zombies machten sich auf zur alten Pflanzung nördlich von Port-au-Prince. Ihre Untaten zeugten wieder neue Zombies, die wüteten und mordeten. Sogar aus dem Meer krochen ein paar ertrunkene und schon von den Fischen angefressene Zombies an Land.
Um Mitternacht hatten die meisten Zombies die alte heruntergekommene Pflanzung erreicht.
Es war fast neun Uhr abends, als Coco ihren Theriaksud fertig hatte. Er war in der vorgeschriebenen Weise umgerührt, beschworen und genügend abgekühlt.
„Diesen Sud wirst du jetzt schlucken und in deinem Magen speichern, Raffael", sagte Coco.
Der Zigeuner nickte. Sie hatten bereits alles besprochen.
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