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0760 - Chaos in der Koboldwelt

0760 - Chaos in der Koboldwelt

Titel: 0760 - Chaos in der Koboldwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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fegten die Straßen leer.
    Das Mietshaus stand am Rand des Zentrums der Achteinhalb-Millionen-Stadt, in der Nähe des Kulturparks von Izmajlovo.
    In seiner Wohnung im dritten Stock schaute Professor Boris Illjitsch Saranow von seinem Schreibtisch auf. Der russische Parapsychologe hatte am Computer gesessen, den er nun abschaltete.
    Der kräftig gebaute Mann mit dem immer noch vollen, grauen Haar war ganz in seine Arbeit vertieft gewesen. Doch nun beschloss er, eine Pause einzulegen.
    Boris Saranow gehörte zur Akademie der Wissenschaften. Er war schon zu UdSSR-Zeiten in Akademgorodok, Petersburg, Baikonur, Nowosibirsk, Nowgorod und anderswo tätig und an allen maßgeblichen parapsychologischen Projekten beteiligt gewesen.
    Jetzt, mit Mitte Fünfzig, war sein Forscherdrang immer noch ungebrochen.
    »Was für ein Wetter. Es hagelt Kosaken«, murmelte er hinausschauend eine alte russische Redensart.
    Saranow holte sich eine Tasse Tee vom Samowar, machte es sich im Sessel gemütlich und schaute zum Fenster hinaus. Der Donner und die Blitze erschreckten ihn nicht, und bald schon zuckten die Blitze seltener, der Donner entfernte sich.
    Der Regen wurde schwächer, das Gewitter zog ab, und Saranow sah mit geradezu kindlicher Freude einen Regenbogen, der sich in funkelnder Pracht über der Stadt spannte.
    Er öffnete das Fenster und ließ die frische Luft herein. Saranow atmete tief durch. Am Ende des Regenbogens steht ein Topf Gold, so lautete ein westliches Märchen. Dieser Regenbogen war besonders prächtig und fesselte Saranows Aufmerksamkeit.
    Plötzlich hörte er Rufe von der Straße.
    »Das ist doch unmöglich!«
    »Was soll das bedeuten?«
    »Weg von der Straße, Kind!«
    Autobremsen quietschten.
    Als Saranow hinunterblickte, glaubte er seinen Augen nicht trauen zu können. Ein Mädchen auf einem weißen Einhorn ritt die Straße entlang, auf der wieder reger Verkehr herrschte.
    Sie trug ein Lederwams, einen kurzen ledernen Rock mit breitem Gürtel und daran in einer Metallscheide einen unterarmlangen Dolch, dazu fellgefütterte Stiefel und einen ledernen Armreif.
    Das Einhorn hatte eine lange, prächtige Mähne und ein goldenes Horn. Es galoppierte nahezu schwerelos. Seine Hufe schienen den Asphalt nicht zu berühren.
    Saranow kannte das Einhorn und die Reiterin. Vor einiger Zeit waren beide bereits einmal in Moskau aufgetaucht und dann wieder spurlos verschwunden. [6]
    Wie schon mehrmals an verschiedenen Orten…
    Es war Eva, das geheimnisvolle Para-Mädchen, von der Eingeweihte nur wussten, dass sie eine Tochter des in letzter Zeit recht seltsam gewordenen Magiers Merlin sein sollte. Eva, die rückwärts lebte, bereits einmal gestorben war, danach verjüngt wieder auftauchte und die an totaler Amnesie litt.
    Sie kannte nicht einmal ihren Namen. Den Namen Eva hatte ihr Professor Zamorra gegeben, als sie zuerst beim Château Montagne aufgetaucht war [7]
    Eva wirkte auf Saranow jünger als beim letzten Mal, als er sie gesehen hatte. Sie schien auch kleiner geworden zu sein. Soweit er es auf die Entfernung erkennen konnte, schien sie zwölf Jahre alt zu sein. Bei ihrem letzten Auftreten hatte sie körperlich wie eine 16-Jährige gewirkt und deren Entwicklungsstand gehabt.
    »Bogossuzedat!«, schimpfte der Professor höchst unakademisch. »Verdammt!«
    Er sah Eva auf ihrem Einhorn um die Ecke biegen. Rasch zog er seine Schuhe an - zuvor hatte er Hausschuhen getragen -, lief aus der Wohnung und hämmerte an die Tür seines Nachbarn Semjon Nikolajewitsch. Der öffnete. Seine Wohnung führte nach hinten hinaus. Von dem, was sich auf der Straße abspielte, hatte er nichts mitbekommen.
    »Was ist denn, Boris?«, fragte der Nachbar. »Du bist ja ganz aufgelöst?«
    »Ich brauche deinen Tatra, Semjon. Du musst mich fahren! Oder gib mir die Schlüssel! Ich muss jemand verfolgen!«
    »Verfolgen? Warum? Hat man dich bestohlen? Ist der Täter im Auto oder mit dem Motorroller geflüchtet?«
    »Nein. Es handelt sich um ein Mädchen.« Saranow merkte, was er da gerade gesagt hatte und fügte hinzu: »Stell keine Fragen, Semjon! Es kommt auf jede Sekunde an.«
    »Womit ist sie denn unterwegs?«
    »Sie reitet auf einem Einhorn.«
    Der Nachbar blickte Saranow scharf an und schnupperte. »Hast du getrunken, Boris? Zu viel von dem guten Wässerchen ist schlecht.«
    »Nein, es ist - ein Spuk, eine Erscheinung, ein… Etwas Besonderes! Bitte, hilf mir! Ich bezahle die Fahrt großzügig. Lass mich jetzt nicht im Stich!«
    Semjon

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