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0763 - Strigen-Grauen

0763 - Strigen-Grauen

Titel: 0763 - Strigen-Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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schon immer sehr früh dort, um die Anrufe von Kunden entgegenzunehmen und schon erste Termine zu machen. Prissy war fünfzig, Junggesellin und lebte nur für die Agentur.
    Sehr schnell hob sie ab.
    Helen mußte sich räuspern, bevor sie ihren Namen nennen konnte. »Prissy, bitte, sagen Sie dem Chef, daß ich in den nächsten drei Tagen nicht kommen werde. Ich nehme mir Urlaub.«
    »Ehrlich?«
    »Ja.«
    »Das ist aber ein Hammer, Helen. So etwas kennt man von Ihnen nicht. Ich will ja nichts sagen, und es geht mich auch nichts an, aber ihre Stimme klingt schon etwas ungewöhnlich. Belegt, würde ich sagen. Sind Sie krank?«
    »Auch das«, sagte sie schnell.
    »Schlimm?«
    »Nein, Prissy, nur eine Unpäßlichkeit. Mich hat auch der häufige Wetterwechsel in der letzten Zeit umgehauen.« Sie freute sich darüber, wie glatt ihr die Worte doch über die Lippen kamen. »Ich… ich muß mal ausspannen und werde deshalb London verlassen. Ich suche mir ein kleines Hotel auf dem Land.«
    »Und was ist mit der Kampagne für die Schokolade, die Sie begonnen haben?«
    »Kann warten.«
    »Der erste Termin wäre schon übermorgen.« Prissy bewies wieder einmal, wie gut sie informiert war.
    »Sagen Sie dem Kunden ab.«
    »Auf wann soll ich ihn vertrösten?«
    »Auf die nächste Woche.«
    »Montag?«
    Helen rechnete schnell nach. Es war Donnerstag, nein, Montag war ihr zu knapp. »Einen Tag später, bitte. Am Dienstag. Ich werde Montag wohl wieder in der Agentur sein.« Als sie dies sagte, kam sie sich wie eine Lügnerin vor. Irgendwie glaubte sie selbst nicht daran, daß dies der Fall sein könnte.
    »Dann gute Besserung, Helen.«
    »Danke.« Wie im Traum hatte sie das letzte Wort gesprochen, und wie im Traum legte sie auch den Hörer auf. Dann hob sie den rechten Arm, um durch ihr Haar zu fahren. Eine unbewußte Geste, die ihr eigen war. Sie tat dies öfter. Mit dem nackten Unterarm streifte sie dabei dicht an ihrer Wange entlang - und berührte die Feder.
    Helen zuckte zusammen wie bei einem Stromstoß. Dieser flüchtige Kontakt mit dem nicht Begreifbaren hatte ihr wieder den Schrecken vor Augen geführt, und sie merkte, daß sie am ganzen Leib zitterte.
    Sie konnte sich nicht mehr normal auf den Beinen halten, mußte zur Seite gehen und sich setzen.
    Schwer fiel sie in den knautschigen Sessel. Er war so gearbeitet, daß er sich den jeweiligen Körperformen der in ihm sitzenden Person anpaßte. Helen liebte den Sessel. Sie saß oft dort und entspannte sich nach dem stressigen Dienst. Jetzt aber kam sie sich vor, als würde sie in einer Kältekammer stecken. Selbst das durch die Terrassentür flutende helle Morgenlicht der Sonne konnte diesen Zustand nicht vertreiben.
    Helen Kern fürchtete sich.
    Etwas Unheimliches hatte sich in ihrer Nähe ereignet und war über sie hergefallen. Irgend etwas hatte sich befreien können. Es war aus einem Dunkel an die Oberfläche gelangt, aus der unheimlichen Tiefe einer grauenvollen Welt in die Höhe gestiegen und hatte sie, ausgerechnet sie erwischt.
    Warum gerade ich? So schrie es verzweifelt in ihr, aber sie fand keine Erklärung.
    Dunkle Träume - ja, damit hatte es begonnen. Sie hatte in den Nächten von den schrecklichen Vögeln geträumt, die sie umflatterten. Sie sah sich wieder auf dieser düsteren Wiese im Nirgendwo zwischen der Traum- und der Realwelt stehen, umflattert von den düsteren Boten des Unheils, die um sie herum ein mörderisches Karussell gebildet hatten.
    Es war alles nur ein Traum gewesen, wirklich nur ein Traum, nichts weiter mehr…
    Jetzt aber nicht.
    Plötzlich hatte sich alles verändert. Der Angriff des Vogels in der vergangenen Nacht hatte nicht zu einem Traum gehört. Er war so verflucht real gewesen.
    Als sie daran dachte, spürte sie das Pochen in ihrer Wangenwunde wieder deutlicher. Furcht durchschlich sie abermals, ihr Herzschlag beschleunigte sich, als hätte sie drei Tassen Espresso hintereinander geleert. Sie schloß die Augen.
    Ruhe bekam sie nicht. Verschiedene, düstere Bilder schossen fragmentartig auf sie zu. Sehr dunkle Schatten, zuckend, schwingend, als wären große Flügel geteilt worden, damit der Wind mit deren Resten spielen konnte. Sie wollte diese Bilder nicht länger sehen, öffnete die Augen wieder und stemmte sich aus dem Sessel.
    Schwankend blieb sie stehen. Tief holte sie Luft und stellte dabei fest, daß ein Schweißfilm auf ihrem gesamten Körper lag. Angefangen vom Kopf bis zu den Zehen. Es war ihr, als hätte sie überhaupt nicht

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