0763 - Strigen-Grauen
brauchte nur einen Blick auf das leere Bett und das offene Fenster zu werfen, um zu wissen, was hier gelaufen war.
Helen war schlauer gewesen als ich.
Trotzdem lief ich zum Fenster. Ein gezackter Blitz, der seine Linie über den Himmel zog, blendete mich. Ich zuckte zusammen, hörte das Rauschen, das nicht von den Blättern verursacht wurde, und sah dann den Regen wie einen gewaltigen und undurchsichtigen Vorhang vom Himmel rauschen.
Eine idealere Deckung gab es für Helen Kern nicht. Ich lehnte mich hinaus, bekam einen nassen Kopf und schaute in die Tiefe.
Es war nichts mehr von ihr zu sehen. Sie hatte es verstanden, die Gunst des Augenblicks zu nutzen und war verschwunden.
Sollte ich ihr nach?
Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken. Dann verwarf ich ihn wieder, denn ich konnte mir vorstellen, daß sich Helen hier auskannte, während ich ein völlig Fremder war.
Vorbei der Traum…
Ich zog mich wieder zurück. Wie es in mir aussah, darüber dachte ich erst gar nicht nach. Dabei hatte ich angenommen, ein Profi zu sein, aber so wie Helen hatte mich selten jemand reingelegt.
Zudem war es auch meiner eigenen Dummheit zuzuschreiben.
Ich ging hinunter in den Wohnraum und hörte die Türglocke. Sofort wußte ich, wer da eingetroffen war. Wäre Suko zehn Minuten früher gekommen und nicht im Stau steckengeblieben, dann hätte er möglicherweise die fliehende Helen Kern gesehen.
So aber war alles verkehrt.
Ich öffnete ihm die Tür, und er sah meinem Gesicht an, daß alles schiefgegangen war.
»Willst du reden, John?«
»Hörst du einem Idioten zu?«
»Das bin ich ja gewohnt.«
Ich ging nicht auf den Scherz ein. Im Wohnraum auf- und abgehend erzählte ich Suko, wie dumm ich mich benommen hatte. Er nahm es nicht so tragisch.
»Das kann jedem passieren.«
»Es darf aber nicht.«
»Gut, John, auch wenn du es nicht locker nehmen willst. Vergiß Helen Kern, aber denk daran, daß wir bestimmt noch etwas von ihr hören werden. Nicht heute, nicht morgen, möglicherweise übermorgen.«
»Soll das ein Trost sein?«
»Nimm es, wie du willst. Du kannst ja eine Fahndung einleiten.«
Ich winkte nur ab, trat an das offene Fenster und starrte hinaus in den Regen.
So trübe und gleichzeitig aufgewühlt wie die Welt dort draußen fühlte ich mich auch, denn Helens Flucht war für mich eine persönliche Niederlage gewesen.
Ich würde versuchen, sie zu finden, um diese Niederlage in einen Sieg umzuwandeln. Ob es mir gelang, stand in den Sternen…
ENDE des ersten Teils
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