0764 - Zeit der Grausamen
fragte ich.
»Das muß wohl ein Vermögens- oder Konkursverwalter gewesen sein. Ein gewisser Clayton Ross.«
Unter diesem Namen konnte ich mir nichts vorstellen, auch Suko war überfragt, wie ich seiner Mimik entnahm. Wir erfuhren noch, daß dieser Mann in Rye wohnte, aber noch ein Büro in Brighton haben sollte. Das war alles.
»Sie wissen auch nicht, was mit der Klinik geschieht? Ob schon andere Käufer Interesse gezeigt haben?«
»Nein.«
»Dann werden wir sie uns mal ansehen«, sagte ich und bat um die Rechnung. Der Wirt zählte zusammen. Ich zahlte und legte noch ein gutes Trinkgeld hinzu.
»Danke sehr. Ist man als Inhaber nicht gewohnt.«
»Dafür haben Sie uns geholfen.«
»Ich kann Ihnen nur noch sagen, daß die Klinik geschlossen ist. Es kann aber sein, daß sich einige Jugendliche oder Stromer dort eingenistet haben. Möglich ist alles. Seien Sie jedenfalls auf einiges gefaßt.«
»Das werden wir. Vielen Dank noch mal.«
Gemeinsam standen wir auf. Die Hose klebte mir an den Beinen. Ich schüttelte sie aus und ging hinter Suko her, der mich, gegen seinen BMW gelehnt, erwartete.
»Was sagst du, John?«
Durch eine Bewegung meiner Stirn rutschte die Sonnenbrille wieder zurück auf die Nase. »Was soll ich dazu sagen? Im Prinzip nichts.«
»Das ist nicht viel.«
»Weiß ich selbst.«
»Kein komisches Gefühl? Keinen Verdacht?«
»Es ist alles normal abgelaufen.«
»So sieht es aus.« Er öffnete den Wagen. Bevor er einsteigen konnte, sprach ich ihn an. »Aber du hast doch sicherlich ein Haar in der Suppe entdeckt?«
»Überhaupt nicht. Ich habe nur bestätigt bekommen, daß auch Ausländer aufgenommen wurden.«
»Agenten?«
»So sehe ich es. Auch wenn du mich für verrückt hältst, John, ich kann mir vorstellen, daß der KGB diese Klinik finanziert hat. Daß er als Geldgeber dahintersteckte, natürlich über Tarnpersonen, das steht fest.«
»Gut gefolgert.« Ich stieg ein. »Jedenfalls schauen wir uns die Klinik mal aus der Nähe an. Vielleicht finden wir ja eine Spur.«
»Vom KGB oder von Helen Kern?«
»Erst mal von Helen.«
»Die kannst du nicht vergessen, wie?«
»Nein, Suko, nein. Wer mich einmal reingelegt hat, den streiche ich so leicht nicht aus meinem Gedächtnis.«
»Bravo.«
Wir fuhren längst weiter, schwiegen beide und dachten dabei über das Gehörte nach.
Erst das Summen des Telefons unterbrach unser Brüten. Ich hob ab und hörte die Stimme meines Chefs, Sir James. »Sind Sie noch nicht am Ziel? Da habe ich ja Glück gehabt, daß ich Sie erreichen konnte.«
»Wir haben eine Pause eingelegt, Sir, und sehr gut gegessen.«
Suko horchte auf, als er den Namen unseres Chefs gehört hatte. Ich aber horchte noch viel mehr auf, denn was mir Sir James mitzuteilen hatte, war ein Hammer.
»Jemand wartet auf Sie, John.«
»Wer?«
»Ihr Freund aus Rußland.«
»Was? Wladimir Golenkow?«
»Ja.«
»Was will er denn?«
»Er soll da eine gewisse Sache erledigen und richtigstellen, und hat uns informiert.«
»Sir, Pardon, aber Sie sprechen in Rätseln. Wo und wie soll er eine Sache richtigstellen.«
»In dieser Klinik, zum Beispiel…«
Die Antwort schlug bei mir ein wie eine Bombe. »Was? Darf das denn wahr sein?«
»Es ist so. Golenkow befindet sich im Land, ich habe ihn eingeweiht und ihm gesagt, wo er Sie treffen kann. Er hat nur gelacht. Ich bin sicher, daß Sie ihn in der Klinik finden werden. Glinkas Tod hat sich schnell herumgesprochen, auch wenn es den KGB nicht mehr gibt. Aber die alten Seilschaften sind nicht ganz zerrissen.«
»Das kann man wohl sagen, Sir.« Ich atmete schnaufend aus. »Wo werden wir ihn treffen? In der Klinik?«
»Das nehme ich an.«
»Danke, die Überraschungen halten an.« Ich lachte. »Wie sollte es auch anders sein.«
»Denken Sie aber auch an Helen Kern.«
»Und ob, Sir, und ob.« Dann legte ich auf, wandte mich Suko zu, der nur den Kopf schüttelte. Über Lautsprecher hatte er mitgehört und fragte: »Haben wir denn immer das Glück oder das Pech, in ein Wespennest zu stechen?«
»Allmählich glaube ich auch, daß uns gewisse Dinge wie Pech an den Füßen kleben.«
Suko nickte. Er fuhr schneller, als könnte er nicht erwarten, ans Ziel zu gelangen.
»Auf diese Klinik bin ich wirklich gespannt.«
»Und ich auf Helen Kern«, sagte ich. Plötzlich war ich davon überzeugt, daß wir sie dort finden würden…
***
Sie war da. Sie war gekommen, sie war in der Heimat, und das wiederum wunderte sie. Wie kam sie überhaupt dazu, diese
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