0764 - Zeit der Grausamen
und…
Es war nicht mehr nötig.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet.
Ein Mann stand vor ihr.
Groß, wuchtig, mit schwarzen Haaren und einem schwarzen Bart. Hinzu kamen die dunklen Augen, die wie Kohlestücke aussahen. Der Mann starrte sie nur für wenige Sekunden an. In dieser Zeitspanne hatte Helen das Gefühl, als würde die Person in ihre Seele hineinschauen.
Sie konnte sich nicht mehr bewegen.
Der Mann aber packte sie.
Dann zerrte er sie in den Raum hinter der Tür.
Von nun an begann für Helen Kern der Alptraum…
***
Was genau geschehen war, daran konnte sie sich nicht mehr erinnern. Zuerst war da nur die Dunkelheit. Wie fettiges Öl war sie ihr vorgekommen. Sie hatte im Anfang nicht einmal Luft holen können, weil ihr die Furcht die Kehle zudrückte.
Der Mann war nicht allein. Von irgendwoher tauchten andere auf und hielten sie gepackt. Ihre Hände umklammerten sie, und Helen fühlte sich am ganzen Körper beschmutzt.
Wohin man sie zerrte, bekam sie nicht mehr mit. Jedenfalls glitt sie hinein in die Finsternis wie die Leiche in ein tiefes Grab. Sehr lange blieb die Dunkelheit nicht.
Aus mehreren Richtungen strahlten Lichter auf. Nicht sehr scharf, eher wie ferne Sterne wirkten sie, und sie schafften es kaum, die Schwäche zu vertreiben.
Ihre Bewacher konnte sie nicht einmal erkennen. Sie hörte nur ihre Stimmen und sah die Körper als Schatten. Aber sie konzentrierte sich auf das Flüstern und stellte fest, daß sich die Kerle in einer ihr fremden Sprache unterhielten, die slawisch klang.
Die Männer schleiften sie tiefer in den Raum hinein, um sie dann auf einen Stuhl zu drücken. Helen hatte noch Kraft, und sie wollte sofort wieder in die Höhe schnellen, aber die Arme der Bezwinger waren zu kräftig und drückten sie zurück.
Dann schnallte man sie fest.
Die Hände und die Füße konnte sie nicht mehr bewegen, weil diese von Lederriemen gehalten wurden. Zwei eiskalte Hände strichen über die dünne Haut ihres Halses hinweg, und sie hatte das Gefühl, einem Mörder in die Klauen gefallen zu sein.
Dieser Jemand blieb hinter ihr stehen und ließ seine Hände an ihrem Hals. Er berührte ihn, aber er fügte ihr keinen Druck oder keinen Schmerz hinzu. Die Berührung war mehr wie ein Hauch, ein leichter Wind, der über die Haut hinwegstrich.
Sie blieb starr sitzen. Ihr Herz klopfte stärker. Schweiß lag auf ihrer Stirn. Furcht bohrte sich in ihr Herz, hinter den Augen spürte sie einen harten Druck.
Die Hände wanderten. Sie forschten den Hals aus, sie prüften die dünne Haut, als würden sie nach einer Stelle suchen, die sich besonders zum Zudrücken eignete.
Helen mußte dies über sich ergehen lassen. Sie hockte angeschnallt auf dem Stuhl und war innerlich vereist.
Das Blut schien gefroren zu sein und hatte sich als kleine Eispartikel in ihren Adern abgesetzt. Sie spürte die Finger, die prüfend an ihrem Gesicht in die Höhe wanderten und auch dort die Haut fühlten und testeten.
Waren es tatsächlich Finger? Oder strich da etwas anderes durch ihr Gesicht?
Helen schaffte es, einen Teil ihrer Angst zu unterdrücken und sich zu konzentrieren. Nein, das brauchten nicht unbedingt Hände zu sein, da konnte durchaus jemand hinter ihr stehen und sie mit seinen Krallen abtasten.
Krallen?
Sie wollte es nicht glauben, riß den Mund auf, um Luft zu holen, doch sie atmete nur röchelnd aus.
Etwas anderes schaffte sie nicht. Alles war so anders und fremd geworden, das spürte sie sehr deutlich, obwohl sie in der Finsternis dieses Kellers hockte.
Helen wußte auch nicht, ob die anderen noch da waren. Sie konzentrierte sich einzig und allein auf die Person hinter ihr, die dort nicht mehr blieb, sondern mit gleitenden und schleifenden Schritten um die Gefangene herumging und vor ihr stehenblieb.
Das konnte sie nur spüren, nicht sehen, denn ihr drang so etwas wie ein Hauch entgegen.
Der andere tat nichts.
Er wartete…
Sie aber nahm seinen Geruch wahr. So roch kein Mensch! Nein, das war unmöglich. Nie hatte sie bei einem Menschen einen derartigen Geruch wahrgenommen. Das war einfach nicht möglich, so roch ein Tier, aber kein normaler Mensch.
Helen schüttelte sich und hörte aus der tiefen Dunkelheit ein leises kicherndes Lachen, das ihr wie eine Folterung vorkam.
Man wollte ihre Seele quälen, sie fertigmachen, und sie konnte sich vorstellen, daß niemand darauf reagierte, wenn sie jetzt anfing zu schreien.
Deshalb blieb sie stumm und schaffte es sogar, ihre Lippen
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