0765 - Todesangst und Leichenmoder
immer wieder über den Fall nach und hatte dabei das Gefühl, etwas übersehen zu haben. Was es aber war, konnte ich nicht sagen, wollte auch nicht darüber nachdenken. Vielleicht fiel es mir später noch einmal ein.
Nicht weit entfernt stand Dino Kellerman mit seiner Verlobten. Er war ziemlich groß, auch Allie gehörte nicht eben zu den kleinen Menschen. Wie sie sich jedoch an ihn drückte und dabei leicht zitterte, erinnerte sie mich an ein scheues Reh. Er redete immer auf sie ein, schaute manchmal zu mir rüber und lächelte. Auch von Allie bekam ich hin und wieder Blicke zugeworfen.
»Mr. Sinclair?«
Ich hörte die Frauenstimme und drehte mich um.
Evelyn Ascot hatte mittlerweile meinen Namen erfahren und mich angesprochen. Sie stand nicht weit entfernt, hatte sich leicht breitbeinig aufgebaut und ihre Schuhe in den weichen Boden gestemmt. An den Rändern ihrer Hosenbeine klebte Schmutz.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Ich will Sie sprechen.«
»Bitte.«
Sie lächelte breitmundig. »Nicht hier. Lassen Sie uns etwas zur Seite gehen.«
»Gern, wenn es Ihnen lieber ist.«
Nebeneinander gingen wir her. Sie war so groß wie ich, hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
Zwei Finger glitten über die roten Kugeln der Kette und klackten sie gegeneinander. »Drei Morde, Mr. Sinclair. Bei einem waren Sie in der Nähe.«
»Das stimmt.«
»Dreimal derselbe Täter?«
»Davon gehe ich aus.«
»Aber Sie haben keine Spur?« höhnte sie. Ihre Stimme klang dabei neutral, auch kalt.
»Wer weiß«, erwiderte ich ausweichend, erntete ein Lachen und eine spöttische Bemerkung.
»Hören Sie auf. So reden Polizisten doch immer, wenn sie nicht weiterwissen.«
»Sie scheinen sich ja auszukennen.«
»Ich lese eben viele Krimis. Rex Stout, Chandler und so.«
»Ich nicht.«
»Das sollten Sie aber.«
»Möglich, aber die echten Mörder nehmen eben zuviel Zeit in Anspruch, wenn Sie verstehen.«
»Nur hier stehen Sie auf dem Trockenen.«
»Bis jetzt noch. Ich denke mir aber, daß Sie mir dabei aufs Nasse helfen können.«
Sie lachte rauh wie ein Kerl. »Ich? Nein, wieso?«
»Alle Ermordeten arbeiteten in Ihrer Agentur.«
Ihr Gesicht verschloß sich. Die Augen nahmen einen kalten, harten Ausdruck an. »Worauf wollen Sie hinaus, Sinclair?«
»Ich habe nur etwas festgestellt, Mrs. Ascot.«
»Sie verdächtigen mich, wie?«
»Nicht mehr und nicht weniger als andere auch. Noch ist nichts entschieden, sind nicht einmal die Spuren ausgewertet worden. Und es hat etwas gegeben…«
Sie fiel mir ins Wort. Sehr rauh sprach sie dabei. »Ich habe nun mal Pech gehabt, daß die drei Toten in meiner Agentur beschäftigt waren. Das ist ein Zufall, mehr nicht.« Sie rauchte hastig. »Allerdings frage ich mich, wie es kommt, daß Sie hier so plötzlich erschienen sind und sich vorkommen wie ein rettender Engel.«
»Wenn Sie mich als einen Engel ansehen, so muß ich Sie enttäuschen, Madam. Möglicherweise hat sich bei mir ein bestimmter Verdacht festgesetzt, der mich dann herführte.« Ich hatte keine Lust, ihr von Kellermans Verdächtigungen zu erzählen.
Es gefiel Evelyn Ascot nicht, daß sie so auf den Leim geführt worden war. Sie konnte mit mir nicht so umspringen wie mit ihren Angestellten oder den Mädchen. Ich war von ihr nicht abhängig, bat sie aber, noch etwas zu bleiben.
»Das werde ich wohl müssen, Sinclair. Ihr Kollege läßt mir ja keine andere Alternative.«
Ich lächelte sie an. »Es wird sich bestimmt für Sie auszahlen.« Mein Weg führte mich zu Murray.
Seine Leute hatten mit den ersten Verhören begonnen, er war dabei, Kellerman zu befragen und schaute unwillig zur Seite, als ich ihm auf die Schulter tippte.
»Was ist denn?«
»Nur kurz, Kollege. Ich hätte gern für einen Moment den Zettel mit der Nachricht.«
»Den haben wir schon zwischen die Folien geklemmt.«
»Keine Sorge, ich werde ihn nicht zerstören.«
Murray hatte die Hände zu Fäusten geballt. Er kannte meine Kompetenzen, denen er sich fügen mußte. Als er verschwunden war, sprach ich Dino Kellerman an. »Wie läuft es?«
»Es geht so. Ich habe ihm von der Bank berichtet.«
»Das war gut.«
»Ich mache mir nur Sorgen um Allie.«
»Weshalb denn?«
Er hob die Schultern. »Sie können sich nicht vorstellen, was die Mädchen durchmachen. Die haben alle eine hündische Angst.« Er schüttelte sich. »Ich kann sie ja verstehen, und ich glaube jetzt, daß keine mehr eine Session durchführt, bevor der Killer nicht gefunden worden ist.
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