0765 - Todesangst und Leichenmoder
den Hyde Park eingetroffen, hatte zwei Schlaftabletten geschluckt, sich ausgezogen und sich dann in ihr Französisches Bett gelegt, wobei sie die kühle Seide auf der nackten Haut als durchaus angenehm empfand.
Die Tabletten taten ihre Wirkung.
Sie rissen Evelyn in die Tiefe, sie schlief ein.
Als sie erwachte, war es längst heller Morgen. Das dumpfe Gefühl lag wie ein zitternder Schwamm in ihrem Kopf, als sie sich aufrichtete, zunächst einmal sitzenblieb und dann tief durchatmete. Evelyn überlegte, ob sie schlecht geschlafen hatte, aber das konnte es nicht sein. Die Schlaftabletten hatten sie in einen tiefen Schacht hineingerissen.
Nachdem das dumpfe Gefühl aus ihrem Kopf verschwunden war, stand sie auf. Sofort fielen ihr die Ereignisse der nahen Vergangenheit ein. Der Friedhof - die Aufnahmen - der Mord!
Sie schüttelte sich, als sie daran dachte. Über ihre Lippen drang ein leises Stöhnen, aber noch war sie nicht fähig, über Einzelheiten nachzudenken. Sie mußte erst einmal mit sich selbst zurechtkommen, und dafür würde eine Dusche sorgen.
In der Kabine bekam sie die Strahlen von drei verschiedenen Seiten mit. Ihr Körper streckte sich darin. Er war ziemlich knochig. Sie hatte immer sehr stark auf die Figur geachtet, zu stark, aber als ehemalige Tänzerin war ihr dies eben eingetrichtert worden, und an diese Regeln hielt sie sich noch heute.
Das Gel duftete herb. Schaum rann auch durch ihre Haare, und beinahe eiskalt duschte sie auch den letzten Rest des Schaums noch ab.
Sie verließ die Dusche und hängte den flauschigen Bademantel um ihren Körper. Er tat ihr wohl, sich abzutrocknen, wobei sie in dem großen Bad auf- und abging.
Neben der Wanne blieb sie stehen. Sie war so groß, daß sie Platz für zwei Personen bot. Über das Gesicht der Ascot zuckte ein Lächeln, als sie daran dachte, wie oft sie schon mit einer Freundin in dieser Wanne gelegen hatte. Diese Wonnen hatte sie sich in den letzten Wochen verkneifen müssen, weil die Arbeit zuviel geworden war. Das aber sollte sich ändern. Sobald sie wieder mehr Zeit hatte, würde sie sich ein Mädchen unter ihre Fittiche holen.
Sie hatte schon eine bestimmte Person im Auge. Wenn diese Kleine sich ihr voll und ganz anvertraute, würde sie ihr den Himmel auf Erden bereiten. Da konnte sie es dann dank ihrer Hilfe schaffen, ganz nach oben zu kommen.
Leider kümmerte sich Kellerman um das Mädchen. Er war das Hindernis, das noch elegant entfernt werden mußte. Allerdings nicht durch Mord, aber da gab es andere Methoden. Ein Auftrag nach Übersee würde ihn sicherlich reizen, nur eben ohne Allie.
Sie ging ins Schlafzimmer zurück. Den Bademantel ließ sie kurz nach ihrem Eintritt zu Boden sinken. Anschließend wandte sie sich dem Schrank zu und öffnete die beiden Mitteltüren. Sie entschied sich für einen leichten Slip, einen dünnen Leinenpullover mit halben Ärmeln und eine Hose. Die Hose war pechschwarz und bestand aus Seide. Im Spiegel schaute sich die Ascot ihre Haare an, die sie nicht zu fönen brauchte. Sie waren schon fast getrocknet.
Wie Grace Jones, dachte sie und lächelte dabei. Sie mochte die Schauspielerin, hatte aber noch nicht die Chance bekommen, sie kennenzulernen. Auch das würde sich vielleicht ändern lassen. Mit diesem Gedanken betrat sie die kleine, hochmodern ausgerüstete Küche und kümmerte sich um das Frühstück.
Evelyn Ascot gehörte nicht zu den Menschen, die sich am Morgen den Magen vollschlugen. Sie lebte sehr gesund, da kam ihr das Müsli gerade recht. Nach dem Brei gönnte sich die Frau noch einen Apfel. Sie trank Vitaminsaft, zündete sich die erste Zigarette an diesem Morgen an und dachte nach.
Was sollte sie tun?
Eigentlich hätte sie in die Agentur gemußt, dort gab es einige Dinge zu erledigen, schon jetzt wußte sie, daß sie wohl kaum die Kurve kriegen würde.
Es paßte ihr nicht, sich den Fragen der Mitarbeiter zu stellen. Sie wollte zunächst allein sein, sich noch einmal alles durch den Kopf gehen lassen und erst am Nachmittag in die Agentur fahren. Sie war auch für niemanden zu erreichen, deshalb hatte sie das Telefon abgestellt. Wenn sie mit jemandem sprechen wollte, würde sie ihn anrufen. Die Frau rauchte, dachte nach und kam dabei immer wieder auf einen bestimmten Punkt zurück.
Sie dachte daran, wie ihr der Polizist den bei der Leiche gefundenen Zettel gezeigt hatte. Schon in der Nacht war ihr die Schrift nicht aus dem Kopf gegangen, jetzt, nach dem tiefen Schlaf, fielen ihr die Worte
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