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0767 - Zeit der Wachsleichen

0767 - Zeit der Wachsleichen

Titel: 0767 - Zeit der Wachsleichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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darunter leidet, wenn sie in ihren feuchten, kalten Gräbern liegen. Er wird dafür sorgen, daß sie diese Plätze nicht mehr einnehmen. Sie wollen aus der Tiefe hochsteigen und wieder zurück in die Welt der Lebenden gehen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Daran glauben Sie?«
    »Das werde ich mir noch in dieser Nacht ansehen. Ich denke, John, daß der Friedhof von Grainau sehr bald ein anderes Gesicht bekommen wird oder es schon hat. Ich habe meinen Job. Was mit Audrey geschehen ist - nun ja«, sie hob die Schultern. »Man kann es auch als Berufsrisiko ansehen, aber ich mache weiter.«
    »Das dachte ich mir.«
    Blitzschnell zog sie ihre Waffe. Sie hatte sie unter der Jacke verborgen gehabt. Ich reagierte nicht, denn die Unterhaltung mit Sally hatte mich auch eingelullt. Dafür schaute ich in die Mündung und fragte sie, ob sie jetzt schießen wollte.
    »Nicht unbedingt.«
    »Schön. Und warum bedrohen Sie mich dann?«
    »Weil ich Ihnen klarmachen wollte, daß ich mich von keinem Menschen aufhalten lasse.«
    Ich schürzte die Lippen, bevor ich lächelte. »Glauben Sie denn, daß ich das vorgehabt habe?«
    »Wenn Sie ein Bulle sind, bestimmt.«
    Ich bestätigte das nicht, sondern redete mit ihr über meine Pläne. »Stellen Sie sich mal vor, Sally, wir beide - so unterschiedlich wir auch sind - haben trotzdem denselben Gedanken gehabt. Auch ich wollte dem Friedhof einen Besuch abstatten.«
    »Sie lügen.«
    »Nein!«
    »Dann hätten Sie über Mario und seine Mutter Bescheid gewußt.«
    »Wäre das so schlimm gewesen?«
    Sie hob die Waffe etwas an. »Was wissen Sie, Sinclair? Was, zum Henker, ist Ihnen bekannt?«
    »Leider zuwenig, was die Mutter angeht. Aber über Mario bin ich schon informiert. Sie werden also keinen Naivling an Ihrer Seite haben, wenn Sie den Friedhof betreten.«
    »Was heißt, Sie wollen mit?«
    »Ich hatte es vor.«
    Sie lächelte mich an. »Ich könnte es nicht wollen.«
    »Was wäre wenn?«
    »Dann müßte ich Sie töten.«
    Sie hatte es mit einer Gelassenheit gesagt, die mich schon erschreckte. Wieder einmal war mir vor Augen geführt worden, daß ich es hier mit einer Killerin zu tun hatte. »Sie würden hier eine Leiche auf dem Parkplatz zurücklassen.«
    »Mich stört es nicht.«
    »Aber mich.«
    »Kann ich mir denken. Wenn man sie findet, wird man für einige Tage verrückt spielen, aber das legt sich dann. Wer käme schon auf die Idee, daß ich geschossen hätte?«
    »Da haben Sie nicht unrecht.«
    »Aber ich werde es nicht tun.« Sie ließ die Waffe sinken, steckte die Kanone sogar wieder weg.
    »Denn ich gehe davon aus, daß Sie auf meiner Seite stehen. Denken Sie daran, Sinclair. Zunächst einmal sind wir Menschen, die gegen etwas kämpfen müssen, das es eigentlich nur in Filmen und Horrorromanen gibt. Was später sein wird, wir werden sehen.«
    »Falls wir überleben!« schränkte ich ein.
    »Das hoffe ich doch.«
    Ich zeigte ihr den Wagenschlüssel. »Darf ich jetzt einsteigen und losfahren?«
    »Gern. Ich bleibe dann bei Ihnen.«
    »Meinetwegen.«
    Wir stiegen ein. Sie setzte sich neben mich und war sehr gespannt. Ihre Hand befand sich in ständiger Nähe der Waffe.
    Ich schnallte mich an und grinste. »Sie brauchen keine Sorge zu haben, Sally, ich werde nicht versuchen, Sie zu überrumpeln. Ich weiß, was die Glocken geschlagen haben.«
    »Wissen Sie das tatsächlich?« Sally stellte die Frage erst, als wir den Parkplatz schon fast verlassen hatten und die Außenlichter des Hotels hinter uns verschwammen.
    Ich nickte.
    »Dann haben Sie Erfahrungen mit lebenden Leichen?«
    Ich schaltete einen Gang höher. »Lassen Sie sich überraschen, Miß Vincaro…«
    ***
    Mutter und Sohn hatten den Friedhof erreicht und stemmten sich beide gegen den böigen Wind, der Staub in die Höhe wirbelte und die Sicht somit verschlechterte.
    »Kein günstiges Wetter«, sagte die Frau.
    »Den lebenden Toten ist es egal«, meinte ihr Sohn.
    »Mag sein, aber wir müssen Sie finden.« Sie nahm Mario an der Hand. »Komm, schauen wir uns die Gräber mal aus der Nähe an. Es könnte schon etwas passiert sein.«
    Beide waren sehr aufmerksam, als sie durch das Gelände schritten. Der eine schaute nach rechts, die andere nach links. Still lagen die normalen Gräber. Manchmal schienen sie sich unter den Windböen zu ducken, und der herankriechende Dunst wurde immer wieder durch heftige Sturmstöße auseinandergerissen.
    Beide nahmen sie die Atmosphäre in sich auf. Hier herrschte kein Frieden mehr, wie es auf den

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