Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0767 - Zeit der Wachsleichen

0767 - Zeit der Wachsleichen

Titel: 0767 - Zeit der Wachsleichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
leise.
    »Weg mit der Waffe!«
    »Schon gut, Sinclair, schon gut!« Ihre Faust öffnete sich. Der Revolver rutschte hervor, sie richtete sich auf und hob sogar die Hände. Ich kam näher, trat die Mordwaffe mit dem rechten Fuß zur Seite und zielte mit der Beretta auf ihren Kopf.
    »Gehen Sie zur Wand!«
    »Und dann?«
    »Umdrehen, dagegen lehnen!«
    Sie grinste schief. »Das hörte sich direkt nach Bulle an, Sinclair!«
    Ich erwiderte das Grinsen. »Vielleicht habe ich auch nur zu viele Serien gesehen.«
    »Möglich.«
    In den folgenden Sekunden gehorchte sie. Als sie sich noch auf dem Weg befand, trat ich mit dem Fuß auf einen Bodenschalter. Unter dem Schirm einer Stehlampe wurde es hell. Mir reichte das Licht völlig aus. Audrey hatte sich gegen die Wand gelehnt und die Hände erhoben. Ich trat von hinten an sie heran und tastete sie ab.
    Meine Hände fanden keine weitere Waffe mehr. Auch nicht in den Taschen ihrer Jacke.
    »Zufrieden?«
    »Nicht ganz.«
    »Drehen Sie sich um! Und zwar nach links.«
    Sie tat es.
    Ich führte sie dann auf die schmale Tür der Gästetoilette zu, schob sie hinein, zog den Schlüssel von innen ab und schloß die Tür von außen. Dort steckte sie zunächst einmal fest, obwohl ich davon überzeugt war, daß diese Frau noch nicht aufgegeben hatte. Audrey Houston würde versuchen, auch die geringste Chance zu nutzen.
    Ich aber brauchte zunächst Ruhe, denn im Hotel befand sich noch eine zweite Killerin.
    Als ich an Sally Vincaro dachte, schüttelte ich den Kopf. Sie sah so nett und harmlos aus. Daß sich hinter dieser Maske eine Mörderin verbarg, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Zwar hatte sie mir den Beweis dafür noch nicht geliefert, ich ging einfach davon aus.
    Und dann gab es da noch Mutter und Sohn Davies!
    Sie waren das eigentliche Problem für mich, denn dieser Familie wegen war ich überhaupt nach Germany in das Hotel am Eibsee geschickt worden.
    Die Familie wurde von der Mafia gejagt, weil Sidney Davies sich als Kronzeuge vor einem amerikanischen Gericht zur Verfügung gestellt und ausgesagt hatte. Durch seine Berichte hatten die Fahnder eine Mafiafamilie regelrecht auslöschen können und vor allen Dingen der Drogenszene einen harten Schlag versetzt. Es lag auf der Hand, daß sich die Davies' in Gefahr befanden, und deren Schutz war eigentlich kein Job für mich, wenn es da nicht den Sohn Mario gegeben hätte.
    Seinetwegen hatten sich die amerikanischen Kollegen an Sir James Powell und damit indirekt auch an mich gewandt.
    Mario war in den Staaten schon aufgefallen, weil er ein besonderes Hobby pflegte.
    Er liebte die Toten!
    Er ging gern auf Friedhöfe, weil er sich unter all den im Boden liegenden Leichen unsagbar wohl fühlte. Und er schaffte es sogar, mit ihnen zu reden. Das hatte er immer wieder behauptet, und es war auch von neutralen Wissenschaftlern nicht mehr angezweifelt worden, die den Jungen untersucht hatten.
    Mario ging sogar noch einen Schritt weiter. Er liebte die Toten nicht nur, er wollte sogar dafür sorgen, daß sie aus ihren Gräbern hervorkrochen und den Weg in die Welt der Lebenden fanden. Um dieses zu verhindern und um die Familie gleichzeitig zu schützen, war ich nach Grainau geschickt worden und wohnte nun zusammen mit den Davies' in diesem herrlichen Seehotel.
    Ich wußte, daß es einen Friedhof in Grainau gab. Und ich nahm an, daß Mario ihm den einen oder anderen Besuch abstatten würde, um sich mit den Toten zu unterhalten. Sie konnten, weil sie ihm gehorchten, für die Familie auch gleichzeitig zu einem Schutzfaktor werden, doch bei Sidney Davies' Tod hatten sie versagt. Wahrscheinlich war Mario noch nicht soweit, und ich wollte dafür sorgen, daß es nicht dazu kam.
    Leider hatte der Junge etwas bemerkt. Schon bei unserer ersten Begegnung unten am See hatte ich den Haß gespürt, den der Junge mir gegenüber ausstrahlte. Mir war er dabei vorgekommen wie ein Abziehbild des Teufels, denn einen stärkeren Haß hatte ich bei ihm ebenfalls kaum gespürt. Über den Grund konnte ich nur spekulieren. Der Junge mußte instinktiv erkannt haben, auf welcher Seite ich stand. Damit war für mich auch klar, daß er sich auf die Seite des Bösen geschlagen hatte.
    Jetzt waren er und seine Mutter, zu der er ein besonderes Verhältnis haben mußte, verschwunden.
    Einfach weg.
    Wohin?
    Für mich kam eigentlich nur ein Ort in Frage, wo beide Schutz finden konnten. Der Friedhof von Grainau, und ich wollte auch so schnell wie möglich dorthin. Nur

Weitere Kostenlose Bücher