0767 - Zeit der Wachsleichen
mußte ich zuvor hier noch einiges erledigen und zurechtrücken.
Noch einmal ging ich auf die Terrasse und schaute mich um. Ich war dabei sehr vorsichtig, weil ich nicht der Kugel einer Heckenschützin zum Opfer fallen wollte, doch das Schicksal hielt seine Hand über meinem Kopf ausgebreitet, denn es passierte nichts.
Ich zog die Strickleiter hoch und nahm sie mit in die Suite. Sie fand in einer Ecke ihren Platz, dann ging ich auf die Tür zu und passierte zuvor die Gästetoilette.
Die Zeit, um zu lauschen, ließ ich mir.
Von Audrey war nichts zu hören. Für mich war das noch kein Beweis, daß sie aufgegeben hatte. Sie würde bestimmt nach einer Möglichkeit suchen, um mich doch noch zu packen. Und wenn sie dabei den Toilettendeckel löste.
Im Flur lag ein Toter.
Das bereitete mir Sorgen. Die Leiche mußte verschwinden. Ich wollte nicht, daß sie entdeckt und dann die Polizei alarmiert wurde. Ich hätte zu viele Fragen beantworten müssen, und dazu blieb einfach nicht genügend Zeit. Es drängte mich, die zweite Mörderin zu finden und auch die Suche nach Mutter und Sohn aufzunehmen.
Sehr vorsichtig betrat ich den Flur.
Er war leer.
Kein Mensch zu sehen, aber auch keine Leiche. Ich blinzelte. Hatte ich mir den Toten eingebildet?
Nein, das war nicht der Fall gewesen, denn auch aus einer gewissen Entfernung konnte ich den dunklen Fleck auf dem Flurboden sehen.
Das war das Blut des Toten…
Von ihm selbst war nichts mehr zu entdecken. Natürlich dachte ich darüber nach, wohin er hätte geschafft werden können. Daß er ein Zombie war, damit rechnete ich nicht.
Neben der Blutlache blieb ich stehen, untersuchte sie. Das Blut sah so aus, als wäre es verrieben worden. Da hatte jemand in aller Hast versucht, Spuren zu beseitigen, was ihm nicht gelungen war.
Es konnte nur eine Person gewesen sein: Sally Vincaro, Audreys Freundin und Killerkumpanin. Sie war für Audrey als Rückendeckung gekommen.
Sie war jetzt verschwunden. Ich hielt sie für so schlau, daß sie sich ein bestimmtes Bild gemacht hatte. Sicherlich ahnte sie, was hier ungefähr gelaufen war, und sie würde alles daransetzen, um die Chancen wieder zu erhöhen. Der Auftrag mußte erledigt werden, sonst war sie an der Reihe. Da kannte die Ehrenwerte Gesellschaft kein Pardon.
Daß Sally die Nerven behalten hatte, war mir durch das rasche Verschwinden der Leiche bewiesen worden. Und sie würde sich auch noch andere Tricks einfallen lassen, das stand fest.
Ich stand im Flur und dachte darüber nach, wo man so schnell eine Leiche verstecken konnte, ohne daß es in den folgenden Stunden auffiel. Mir kam ein uralter Trick in den Sinn, der in vielen Filmen immer wieder durchgenudelt worden war.
Die Wäschekammer eines Hotels, die sich ja auf jeder Etage befand. Ich suchte und fand sie am Anfang des Flurs, wo er von einem zweiten gekreuzt wurde.
In die Wand war eine Doppeltür eingebaut worden. Der Schlüssel steckte nicht. Ich untersuchte die unmittelbare Umgebung vor der Tür und wußte Bescheid, als ich die kleinen Blutflecken sah, die sich wie Sommersprossen dort verteilten.
Ich zweifelte nicht daran, daß der Tote in der Kammer steckte. Sally war verschwunden. Möglicherweise hatte sie auch die Chance genutzt und war rasch in meine Junior Suite gegangen, um mich dort zu empfangen. Ich war jedenfalls vorsichtig, als ich den Raum betrat.
Es gab keinen, der auf mich gelauert hatte und mich überfallen wollte. In allen Räumen machte ich Licht und durchsuchte sie so gut wie möglich. Nichts zu sehen.
Aber auch nichts zu hören, denn Audrey Houston verhielt sich noch immer still.
War das normal?
Ich trat an die Tür heran und legte mein Ohr dagegen. Das Holz war nicht besonders dick, ich hätte eigentlich etwas hören können, aber da war nichts.
Ich zog die Waffe, drehte den Schlüssel herum und öffnete die Tür blitzschnell. Gleichzeitig sprang ich zurück, um Distanz zwischen mich und einen eventuellen Angreifer zu bringen.
Es war nicht nötig, denn es gab ihn nicht.
Audrey Houston war sehr ruhig. Zu ruhig. So ruhig eben, wie nur eine Tote sein konnte…
***
Das Gesicht am Fenster - hinter der Scheibe!
Der Pfarrer wollte es nicht glauben, aber es malte sich einfach zu deutlich dort ab, als wäre es nur eine Illusion gewesen.
Der Zombie war da!
Nur - wer glaubte schon an lebende Leichen? Hochwürden Prantl bestimmt nicht, denn für ihn waren Geburt und Tod ein Kreislauf, der durch nichts unterbrochen werden konnte. Wer lebte, der
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