0768 - Lady Bluthaar
über der Wasserfläche, etwa eine halbe Körpergröße hoch, kam sie zur Ruhe.
Da stand sie nun.
Unter ihr, im Wasser, hielten sich die Monster auf. Sie konnten keine Ruhe geben. Immer wieder sprangen sie hoch, streckten dabei die Arme aus, doch sie schafften es nicht, Isabellas Füße zu erreichen, weil sie immer wieder die Beine anhob oder sie einfach auch nur zu weit entfernt war.
Einmal trat sie zu.
Suko hatte das Gefühl, bei den folgenden Ereignissen Ohrenzeuge zu sein, denn er glaubte, dieses Krachen und Knacken zu hören, als der Schädel auseinandersplitterte. Statt dessen vernahm er nichts, die Stille blieb.
Aber Lady Bluthaar hatte ihren Dienern wieder einmal bewiesen, wer hier das Sagen hatte.
Sie regierte, sie herrschte über die schwarzen Blutinseln, über das Meer und auch über Suko.
Es war eine verrückte Vorstellung, aber sie ließ sich nicht vertreiben und schoß dem Inspektor durch den Kopf. Und Isabella schien Gedanken lesen zu können, denn sie ließ ihre Stimme erschallen, die über das Wasser hallte.
Es war eine Stimme, wie Suko sie ebenfalls bei einer Frau noch nie zuvor gehört hatte. Nicht, daß sie männlich geklungen hätte, aber sie hatte doch einen ungewöhnlichen Klang, als wäre sie nicht durch einen Mund, sondern durch einen Tunnel gedrungen, denn sie hallte bereits nach, bevor sie Sukos Ohren erreichte, und ihm kam dabei ein verrückter Vergleich in den Sinn.
Als hätte diese Person aus dem Totenreich gesprochen. So fern lag die Vermutung zudem nicht, denn Isabella konnte kein normaler Mensch mehr sein, auch wenn sie so aussah. Sie war eine Leiche, eine lebende Tote, ein Geist oder Gespenst, das dreidimensionale Formen angenommen und die Jahrhunderte überlebt hatte. So etwas konnte kein Mensch schaffen, da mußten andere Mächte ihre Hände mit im Spiel haben.
Der Teufel vielleicht?
Als Suko daran dachte, wunderte es ihn, daß er nicht erschrak. Bei dieser Frau nahm er das sogar hin, denn für ihn war sie eine einzige Verlockung.
»Ich wußte, daß du kommen würdest, mein Freund, und ich habe dich auch erwartet. Alle werden irgendwann einmal den Weg zu mir finden, denn ich schaffe es, die Männer zu faszinieren. Sie alle stehen auf meiner Seite, wenn sie mich einmal gesehen haben. So war es damals, so ist es heute. Auch du, der du den Weg in Feindschaft zu mir gefunden hast, wirst deine Meinung ändern müssen, weil dir einfach keine andere Möglichkeit bleibt. Du kannst dich mir nicht entziehen, mein Freund.«
Das konnte Suko tatsächlich nicht. Und doch grübelte er über die Folgen nach. Sie waren für ihn schlimm. Er sah ein, daß sie auf der anderen Seite stand, und trotzdem konnte er sich nicht gegen sie wehren, weil von ihr etwas ausging, das er nicht beschreiben konnte. Es hatte ihn einfach gepackt, und er nickte wie eine willenlose Puppe.
»Aber du bleibst mir erhalten«, versprach die Person. »Ich werde dich zunächst als Spielzeug benutzen. Ich werde dich bewahren, du wirst mich sehen können, dich wird eine große Sehnsucht überfallen, aber ich werde dir den Gefallen nicht tun und zu dir kommen. Erst wenn ich es für richtig halte, werde ich dich in meinen Kreis einbeziehen. Erst dann, hast du verstanden?«
Suko hatte verstanden. Er nickte, denn sprechen konnte er nicht. Obwohl er dieser Person gern einiges gesagt hätte, doch noch erschien sie ihm fremd, wo sie ihm gleichzeitig so vertraut war.
Sie lächelte.
Zum erstenmal veränderte sich dabei ihr Gesichtsausdruck, und Suko erlebte so etwas wie einen Himmel, denn er bezog das Lächeln ganz allein auf sich und nicht auf die Situation, die von Isabella geschaffen worden war, und die sie als Triumph ansehen konnte.
Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, als sie sich bewegte. Durch ihren Körper glitt ein Schwingen. Es begann bei den Haaren, die anfingen zu zittern und Wellen zu schlagen, bevor sie sich allmählich nach innen wandten und auf die Gesichtshälften zuglitten.
Gleichzeitig tauchte die Frau ab.
Auf dem Wasser schwamm noch immer der Kreis ihrer Diener mit der Öffnung in der Mitte. Diese Wesen hatten ihre Königin nicht aus den Augen gelassen. Es war eine verkehrte Welt. Auf der einen Seite die absolute Schönheit, auf der anderen Grauen und Verderben sowie Tod und Moder.
Sie glitt hinab.
Sie tauchte in den Kreis ein.
Das Wasser schluckte sie, und für Suko sah es aus, als würde es sie überhaupt nicht berühren. Die Wellen schienen imaginär zu sein und einfach nur aus einem
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