0768 - Lady Bluthaar
kündigte ihm an, daß möglicherweise etwas geschah.
Wenn ja - hing es dann mit ihm zusammen?
Seine Kehle war trocken geworden. Vom langen Starren brannten ihm die Augen. Zudem blendete die Sonne noch immer ein wenig. Er wischte seine Augen frei und sah besser.
Das Brodeln hatte sich noch verstärkt. Wasser spritzte in langen Armen hoch, die dann zusammenfielen und als glänzendes Tropfenmuster wieder zurückkippten.
Abermals brodelte es.
Schaum entstand.
Er quirlte, er kreiselte, er war einfach da und ließ sich nicht mehr zurückhalten..
Er brachte eine Botschaft.
Nein, nicht nur sie.
Er brachte die Gestalt, das hier herrschende Böse, denn aus den Fluten krochen oder stiegen diejenigen, die aussahen wie eine Mischung aus Mensch und Monster.
Suko sah die langen Arme, die gespreizten Hände, auch die blanken Köpfe, die mal oben und dann wieder unter der Wasserfläche verschwunden waren. Sie führten einen Tanz auf, sie wollten ihm zeigen, zu was sie eigentlich fähig waren.
Als er sich noch stärker darauf konzentrierte, da hatte er den Eindruck, als hätten sie einen Kreis gebildet, um in dessen Mitte Platz zu machen.
So war es dann auch.
Das Glühen nahm zu. Die rote Farbe intensivierte sich. Sie stieg aus der Tiefe hoch, sie war wie ein breiter Schal, der am Grund gelauert hatte und nun nach oben wollte.
Er drückte sich durch das Wasser.
Ein blutroter Vlies schwamm für einen Moment in seiner gesamten Breite auf den Wellen.
Lady Bluthaar!
Dieser Name schoß Suko durch den Kopf. Einen Augenblick später hielt er den Atem an, denn nun erschien sie selbst, und sie stieg aus dem Wasser wie eine Königin, die über Leben und Tod gebot.
***
Suko wußte beim besten Willen nicht, wie er dieses Bild interpretieren sollte. War es schrecklich, war es einmalig, oder war es einfach nur faszinierend?
Wahrscheinlich kam hier alles zusammen. Ihn hatte ein sanfter Schauder überfallen, der auch blieb, obwohl sich Suko dabei nicht gruselte. Er schaffte es nur nicht, den Blick abzuwenden. Was er dort sah, glich einer Szene aus Dantes Inferno, wo Schönheit und Grauen teilweise eine Verbindung eingegangen waren.
Isabella erhob sich aus den Fluten. Ihr Haar, das bisher auf den Wellen gelegen hatte, löste sich allmählich, denn die Kraft kehrte in sie zurück.
Es schwang hoch wie eine Fahne, es breitete sich dabei zu den Seiten hin aus und schien von unsichtbaren Händen getragen zu werden. Suko konnte ihr Gesicht noch nicht erkennen, da ihm die monströsen Wesen die Sicht nahmen. Sekunden später hatte es sich so weit aus dem Wasser erhoben, daß es vor ihm stand wie gemalt. Auf den Hinterkopf fielen die Strahlen der Sonne wie ein extra für diesen Auftritt geschaffener Background, und sie hoben das Gesicht noch deutlicher hervor, so daß die Entfernung zwischen Isabella und der Insel keine so große Rolle mehr spielte.
Es war ein Gesicht, in dem die klassische Schönheit wie eingemeißelt stand. Sehr erhaben, irgendwo auch entrückt und ebenfalls ein wenig arrogant.
Suko hatte damit gerechnet, eine nackte Frau aus den Wellen steigen zu sehen. Er irrte sich, denn Isabella trug ein langes, bis zu den Füßen reichendes Kleid, das sogar hoch geschlossen, dafür aber durchsichtig war und aus Seide bestehen mußte, jedenfalls schimmerte es so.
Suko sah die Brüste, den Schwung der Hüften, die Beine mit den wohlgeformten Oberschenkeln und das dunkle Dreieck dazwischen.
Er stand da und rührte sich nicht. Er war zu der berühmten Salzsäule geworden und schaute zu, wie die Gestalt immer höher stieg, wobei sie das Wasser als Widerstand überhaupt nicht zu spüren schien. Sie breitete ihre Arme aus, als wollte sie sagen: Schaut her! All dies gehört mir. Ich bin die Königin der Meere.
Das rote Haar umwallte sie als Vorhang. Es mußte bis weit auf die Schultern hinabfallen, was Suko allerdings nicht sehen konnte, er konzentrierte sich auf die vordere Seite der Frauengestalt.
Jetzt begriff er, weshalb die jungen Männer den Verlockungen nicht hatten widerstehen können.
Von dieser schönen Frau - mochte mit ihr sein, was es wollte - ging eine Faszination aus, wie Suko es lange nicht mehr, eigentlich noch nie, erlebt hatte.
Er atmete tief durch. Auch wenn er es gewollt hätte, er hätte es nicht geschafft, den Blick zur Seite zu drehen. Diese Königin des Meeres war einfach einmalig. Es sah aus, als wollte sie geradewegs in den rot gefärbten Himmel hineinsteigen, was allerdings nicht passierte, denn dicht
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