0768 - Lady Bluthaar
Bild zu bestehen oder einem Hologramm, das Suko allmählich verschwinden sah.
Dann war die schöne Lady Bluthaar verschwunden. Nur noch ihre Haarpracht zeugte von ihrem Dasein, denn sie schwamm dicht unter der Wasserfläche und hatte dort einen roten Fleck hinterlassen, der sich dann auflöste.
Suko stand da und bewegte sich nicht. Isabella war für ihn plötzlich zu einer Erinnerung geworden, und er fragte sich, ob es sie überhaupt gegeben hatte?
Sie war wie ein Traum gekommen und wie ein Traum verschwunden, aber sie hatte in ihm etwas hinterlassen, das er selbst als einen Einschnitt in seine Seele bezeichnete.
Sein Blick fiel wieder über das Meer, und er sah das jetzt leere Wasser, ohne sie.
Trauer überkam ihn. Die Erinnerung an Isabella war übermächtig. Doch er konnte sie auch nicht herbeizaubern.
Suko wußte nicht einmal, wie lange er auf dem Fleck gestanden und aufs Meer hinausgestarrt hatte, jedenfalls war die Sonne irgendwann in der See versunken wie ein gewaltiger Ball. Die Dämmerung schlich heran. Graue, düstere Schatten, etwas heller als das Gestein. Grau und düster sah es auch in Sukos Innern aus, der die Begegnung mit Isabella immer wieder durchlebte, denn er konnte sie einfach nicht vergessen.
Sie war etwas Besonderes gewesen, das begriff er sofort. Wer sie sah, vergaß alle anderen.
Irgendwann erwachte Suko aus seiner Starre. Er schaute über das dunkle Meer, wo auch die anderen Inseln mit dem Tuch überdeckt waren. Allein blieb Suko auf der Insel zurück. Sehr allein sogar, denn er konnte seine Gedanken einfach nicht von der Erscheinung lösen. Sie hatte sein Innerstes in Aufruhr gebracht.
Sehnsucht überkam ihn.
Er dachte nicht mehr an seinen Auftrag, sondern hockte sich an der Stelle, wo er stand, auch nieder und schaute mit leeren Blicken über das Meer hinweg.
Das Meer und Isabella gehörten zusammen. Sie bildeten einen Verbund, aus dem sich die Erscheinung nur für kurze Zeit getrennt hatte. Der Inspektor dachte nicht mehr an seinen Auftrag. Das alles lag in weiter Ferne. Jetzt gab es andere Dinge, um die er sich kümmern mußte.
Er wollte sie auf einen Nenner bringen, und da fiel ihm der Begriff Seelenheil ein.
Ja, das war es.
Er vermißte sein Seelenheil, deshalb war die große Traurigkeit über ihn gekommen, die zunahm, je länger er auf das Wasser schaute. Es war eine dunkle Fläche, die sich bewegte, die rauschte, die Geräusche abgab, als wollte sie mit ihm sprechen. Wellen waren entstanden, die gegen das Ufer rollten, sich dort überschlugen und zu schaumigen Kränzen wurden, die auf dem hellen Sand ausrollten.
Tief atmete er durch.
Isabella befand sich jetzt dort unten in der Tiefe. Sie würde sich da bestimmt wohl fühlen, auch wenn sie von schrecklichen Monstren umgeben war. Es machte Suko seltsamerweise nichts aus, denn an diese Gestalten würde er sich gewöhnen können. Für ihn war es wichtig, nur an Isabella zu denken, und er stellte sich vor, wie sich die Fluten wieder teilten und sie an die Oberfläche stieg.
Levitation wurde dieser Vorgang genannt.
Er schluckte. Es war ein Phänomen, das man auch einigen Heiligen nachsagte, Thomas von Aquin, zum Beispiel, und er fragte sich, ob Isabella eine Heilige war.
Für ihn war sie das.
Suko stand auf.
Seine Bewegungen wirkten langsam, als stünde er unter einem starken Druck. Der Blick war ins Leere gerichtet. Er sah die auslaufenden Wellen, doch er nahm sie nicht richtig wahr. Er setzte einen Fuß vor den anderen, begann mit langsamen Schritten, ging dann schneller, als könnte er es nicht erwarten, in die Nähe des Wassers zu gelangen. Er mußte dort hin, vielleicht war er ihr dann näher.
Er hoffte, daß sie sich ihm noch einmal zeigen würde, um zu beweisen, daß es sie gab.
Sukos Füße schleiften durch den nassen Sand, der an seinen Schuhen klebenblieb. Irgendwo über ihm zog sich auch die letzte Lücke am Himmel zusammen, so daß er jetzt eine dunkle Fläche bildete.
Suko erreichte den Strand. Die Trümmer des zerstörten Bootes waren bis auf den Sandstreifen gespült worden, wo sie wie Souvenirs lagen. Suko ließ sich nieder.
Hier hörte er das Rauschen des Wassers deutlicher. Er wünschte sich, daß die Wellen eine Botschaft der schönen Frau für ihn mitbringen würden, doch dieser Wunsch blieb unerfüllt.
Er hörte nichts.
Er blieb allein.
Und er bereitete sich auf eine lange, sehnsuchtsvolle Nacht vor. An seine Aufgabe dachte er nicht mehr. Die gab es für ihn nicht mehr. Er dachte aber auch
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