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077 - Das Kollektiv

077 - Das Kollektiv

Titel: 077 - Das Kollektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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und das Gras auf dem alten Handelspfad war feucht vom Tau. Tief im Osten aber, jenseits der zerklüfteten Hügel, schimmerte ein erster heller Schein.
    Wird ein schöner Tag! dachte Jem'shiin zufrieden mit Blick auf die Morgenröte. Gut angefangen hatte er allemal - und zwar mit einem quiekenden Frühstück, das dem shassun pfeilgerecht über den Weg gelaufen war und sich als gutes Mittel herausgestellt hatte, die kleine Scharte der letzten Nacht wieder auszuwetzen.
    Jem'shiin drehte sich halb nach seinen Begleitern um und taxierte sie kurz aus den Augenwinkeln. Offenbar waren diese Leute doch nicht ganz das einfache Volk, für das er sie gehalten hatte. Zumindest nicht der Kleine, Schmächtige - wie hieß er doch? Ach, ja: Aiko. Jem'shiin schnaubte brummig.
    Natürlich hatte er im Schütze der Nacht versucht, den Kopf des Spikkar zu stehlen und sich leise davonzumachen.
    Aber es war ihm nicht gelungen.
    Dieser Aiko hatte nicht nur Ohren wie ein verdammter Kuuga, nein! Anscheinend brachte er zudem etwas fertig, das sonst nur die geheimnisvollen Feenfalken der Kraterberge schafften: im Dunkeln zu sehen!
    »Wie weit ist es noch?«, rief der Mensch namens Matt Drax von hinten, und seine Stimme vibrierte vor Ungeduld, während die zweite, die Jem'shiin verstehen konnte, völlig leidenschaftslos klang.
    »Bis Yebo'kraad? Schwer zu sagen - ungefähr so lange wie es dauert, einen Carbukk zu häuten«, antwortete er und grinste ungesehen. Muss ein verteufelt wildes Weib sein, diese Aruula, wenn er sich so nach ihr sehnt! dachte er, während er das letzte, steile Stück einer Anhöhe hinauf stapfte.
    »Klare, präzise Aussagen - die Air Force hätte diesen Mann geliebt!«, spottete Matt. Seufzend drehte er sich nach Aiko um und winkte ihn heran.
    Während der Cyborg den üblichen Kampf um mehr Geschwindigkeit mit seinem grunzenden Yakk ausfocht, zog Matt den Driller, prüfte die Waffe und schob sie griffbereit in den Gürtel. Als der Cyborg auf gleicher Höhe war, raunte Matt ihm zu: »Ich kann mir nicht helfen, Aiko, irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl - es ist zu still hier! Zu still und zu friedlich!«
    »Denkst du, dass Jem'shiin uns in eine Falle führt?«
    »Sagen wir es so: Das haben schon weniger Wahrscheinliche versucht. Aber der Mann ist nicht das Problem.«
    Matthew tippte vielsagend auf seinen Driller.
    »Sondern?«
    »Die Todesrochen.«
    Verwundert runzelte Aiko die Stirn, sah sich nach allen Seiten um und schüttelte den Kopf. »Ich sehe keine.«
    Matt nickte. »Eben. Das ist das Problem! Warum sollten sie Aruula entführen und dann nie wieder auftauchen?«
    »Nun ja…«, hob der Cyborg zögernd an, unterbrach sich aber, als er Matts Gesicht sah, und nahm seinen Armbruster - eine Mischung aus Blaster und Armbrust - vom Rücken. »Du hast Recht! Ich behalte die Gegend im Auge!«
    Schon ließ sich Aiko zurückfallen, als ein Ausruf des Erstaunens durch das rot gefärbte Dämmerlicht der Anhöhe klang: »He! Was ist das?«
    Matt fuhr herum und sah, wie Jem'
    shiin mit ausgestrecktem Arm auf den Kratersee wies, der tief unter ihnen lag.
    Auch Aiko folgte dem Fingerzeig - und hielt den Atem an: Mitten auf der gewaltigen dunklen Fläche trieb ein kleines Boot. Der Cyborg aktivierte seine Augenimplantate und zoomte das Bild heran.
    »Und?«, fragte Matt atemlos.
    Aiko nickte. »Sie ist es!«
    »Gott sei Dank! Lebt sie? Geht es ihr gut?«
    In Windeseile waren die Freunde abgesessen und umringten Aikos Yakk.
    Alle starrten aufs Meer hinaus und versuchten zu sehen, was der Cyborg sah - vergeblich. Die Entfernung war noch zu groß.
    Jem'shiin gesellte sich dazu, und sein Blick wurde ehrfürchtig, als er ihn zwischen Aiko und der weiten See hin und her wandern ließ. Er hielt ihn offensichtlich für einen Magier, als Aiko detailliert das Boot und die beiden Insassen beschrieb.
    »Ein Mann? Was für ein Mann?«, rief Matt, den Driller in der Hand.
    Aiko winkte ab. »Ein Rriba'low. Er hat vier Arme. Sie nützen ihm aber nichts - er ist an die Ruderbank gefesselt.«
    Matt lachte in sich hinein; erleichtert und sehr zufrieden mit seiner tapferen Kriegerin. Allerdings nicht lange.
    »Da ist noch ein zweites Boot!«, meldete Aiko, und seine Stimme klang erregt. »Dort drüben, seht ihr? Es ist vollgepackt mit Leuten und kommt schnell näher.«
    »Was tun sie?«, fragte Matt alarmiert.
    »Nichts«, erwiderte der Cyborg.
    »Aber sie sind bis zu den Zähnen bewaffnet!«
    »Dann verlieren wir keine Zeit.«
    Matt wirbelte herum.

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