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077 - Das Kollektiv

077 - Das Kollektiv

Titel: 077 - Das Kollektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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»Jem'shiin, kannst du einen Weg den Hang hinunter finden? Wir müssen den Strand erreichen, bevor diese Fischfänger…«
    »Da lang!«, sagte Jem'shiin nur und rannte los.
    Matt blieb noch einen Moment stehen und feuerte in die Luft, um Aruula auf sich aufmerksam zu machen. Der Knall hallte weit über den Kratersee.
    ***
    »Wudan sei Dank! Es ist Morgen«, flüsterte Aruula, als sie ihre Augen aufschlug und den blutroten Widerschein sah, der soeben über die fernen Hügelspitzen kam. Mühsam stemmte sie sich auf die Ellbogen; erschöpft und mit schmerzenden Armen. Etwas hatte sie aus dem Schlaf gerissen - ein Knallen wie die Explosion von Drillermunition.
    »Maddrax!«, sagte Aruula und setzte sich auf. Aber von ihrem Gefährten war nichts zu sehen. Einzig Dushkiin leistete ihr Gesellschaft, immer noch gefesselt und leise vor sich hin schnarchend.
    Aruula stöhnte unterdrückt, als sie nach seiner Schulter griff, um ihn zu wecken - sie hatte die halbe Nacht an den Rudern verbracht, und ihre Muskeln rebellierten. Dabei war die Anstrengung nicht einmal von Erfolg gekrönt: Das Boot befand sich noch immer auf offener See.
    Wahrscheinlich hat uns eine Strömung abgetrieben , dachte Aruula - als ihr Blick auf etwas Großes, Dunkles fiel, das sich, noch weit entfernt, gleichmäßig im Takt der Wellen aus dem Wasser hob. Es war ein Boot - und die Leute an Bord sahen nicht wie eine Rettungsmannschaft aus.
    »Dushkiin! Wach auf!«, rief Aruula halblaut und rüttelte den Fischfänger, bis der blinzelnd die Augen aufschlug - ihre Worte verstand er nicht, aber der Klang genügte.
    Mit fliegenden Händen griff die Barbarin nach seinen Fesseln und begann die Knoten zu lösen. Dushkiin wollte protestieren, doch sie ließ sich nicht beirren - als er das nahende Boot bemerkte, wusste er auch, warum.
    Sprich zu mir , bat er in Gedanken.
    Aruula ahnte, was er sagen wollte, und schüttelte den Kopf. Es war zu gefährlich - das hatte sich letzte Nacht erwiesen.
    Wortlos zwängte sie sich neben Dushkiin auf die Bank, nahm die Ruder und hielt ihm eines hin.
    Als er danach griff, berührten sich ihre Hände. Die Barbarin sah auf, und für einen Moment - nur für einen Moment - formte sich ein Band zwischen den beiden so ungleichen Geschöpfen.
    Ein Geflecht aus Vertrauen und Zuneigung, der besten Waffe, die Gejagten auf der Flucht vor den Häschern zur Verfügung steht.
    »Los! Rudern!«, schnappte Aruula verlegen, riss ihre Hand zurück und machte sich an die Arbeit. Dushkiin tat es ihr gleich, allerdings mit einem seligen Lächeln auf den Lippen.
    Verbissen gingen die Beiden ans Werk, wendeten das kleine Boot und ruderten es der Küste entgegen, hin zu den wilden Ufern des Kratersees, wo die Freiheit winkte und Maddrax - das wusste Aruula genau - längst schon darauf wartete, sie endlich in die Arme zu schließen.
    Der Gedanke an den Geliebten gab ihr neue Kraft und half Aruula, den Kampf gegen die Mutlosigkeit aufzunehmen, die sich ihrer bemächtigen wollte. Das Boot der Verfolger ließ sich nicht abschütteln. Im Gegenteil - es schloss immer weiter auf. Man konnte schon die Gesichter der Männer an Bord erkennen, und Aruulas Augen verengten sich zu Schlitzen, als der Vorderste mit der Faust drohte.
    Wiko'o , dachte sie zornentbrannt. Bei Wudan! Ich schwöre dir: Wenn ich heute sterben muss, nehme ich dich mit, du kleine Ratte!
    Das höhnische Lachen des Jungen erscholl; seltsam fern und unwirklich.
    Aruula stutzte. War es Einbildung - oder hatte sie Wiko'os Stimme soeben
    erlauscht ?
    Ein gellender Schrei traf ihr Ohr, und Aruula fuhr heftig zusammen. Dushkiin ließ das Ruder fallen, schlug zwei Hände vor den Mund und zeigte mit den bebenden restlichen hinaus aufs Meer.
    Aruula sank das Herz, als sie sah, was den Rriba'low so erschreckte.
    Flach über den Wellen, gut getarnt und fast nicht auszumachen im wabernden Frühnebel, den die Sonne aufleuchten ließ, kamen zwei Schatten heran. Genau auf das kleine Boot zu.
    »Todesrochen!«, hauchte Aruula erbleichend und wusste, das dies ihr Ende war! Wie ein Film lief die letzte Nacht vor ihr ab: der erste, von Wut geprägte Kontakt, die Erkenntnis, dass Dushkiin einer der Auserwählten war - und die Lösung des Rätsels, warum seinesgleichen erst in bestimmten Situationen die Todesrochen auf den Plan rief.
    Sie erkennen ihn nur, wenn er lauscht , dachte Aruula mit einem raschen Blick auf den Mann an ihrer Seite. Dann schlug sie zu - wortlos, aus der Verzweiflung heraus und punktgenau gegen

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