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077 - Das Kollektiv

077 - Das Kollektiv

Titel: 077 - Das Kollektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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bestätigen: Blut und zerrissenes Fleisch wurden sichtbar. Auch ein paar lockige weiße Strähnen, mit denen der Sturm spielte. Aruula wunderte sich, weil sie wie geflochten ausgesehen hatten - was bei einem wilden Tier kaum sein konnte. Aber das ohnehin nur schwache Himmelslicht ebbte zu schnell wieder ab, als dass die Barbarin hätte Gewissheit erlangen können. Also tastete sie sich durch die Dunkelheit näher an den Felsen heran.
    Dann flammte ein gleißend heller Blitz auf - und Aruula begann zu schreien. Vor ihr lag die zerschmetterte, grausam zugerichtete Leiche eines Rriba'low! Es war der Fischfänger, der beim Auffinden von Pa'arovs leerem Boot so seltsam reagiert und die anderen angegriffen hatte.
    Eine Hand vor dem Mund und Übelkeit in der Kehle, wich Aruula Schritt für Schritt zurück. Wie es schien, hatte jemand den Mann auf die Felsen geworfen, mehrfach und aus einiger Höhe. Sein Körper war zerfetzt und völlig zerschlagen - als habe eine aufgebrachte Gottheit ihren Zorn an ihm ausgelassen.
    »Warum?«, schrie Aruula in Richtung Kratersee, wo sie die Rochen vermutete.
    »Warum quält ihr diese Leute? Was haben sie euch getan, ihr verfluchten…«
    Sie verstummte. Es hatte keinen Sinn. Sie machte im Gegenteil die Todesrochen nur auf sich aufmerksam.
    Aruula starrte in die Dunkelheit, darauf vorbereitet, die mächtigen Schatten irgendwo auftauchen zu sehen. Aber sie kamen nicht. Einzig der Wind heulte heran, hart und nass und salzig.
    Aruula stutzte. Ein Gedanke hatte sie gestreift. Was, wenn die Rochen im Sturm nicht handlungsfähig waren?
    Wenn sie, wie jedes andere Lebewesen auch, Schutz gesucht hatten in ihrem natürlichen Habitat, wo sie sich am sichersten fühlten und wohin sich zu dieser Zeit kein vernünftiger Mensch begeben würde - im Meer?
    Dies würde bedeuten, dass der Landweg für die Dauer des Unwetters sicher war. Der Weg in die Freiheit!
    Jetzt oder nie! Sie musste nur…
    Der Schlag kam völlig unerwartet.
    Er traf die Barbarin am Hinterkopf; mit solcher Heftigkeit, dass sie das Bewusstsein verlor, noch während sie fiel - hilflos den scharfkantigen Steinen entgegen. Vier Hände fingen sie auf.
    Ihr Schicksal war noch nicht erfüllt…
    ***
    »Spikkar! Gebraten! Ich wusste es; auf meine Nase ist Verlass!«, übersetzte der Translator mit gleichbleibender Lautstärke ohne jede Gefühlsregung, derweil der Originalton durch die Höhle röhrte, dass es nur so schallte.
    »Und was haben wir hier? Süßen Nachtisch, wie? Hähähä! Ich meine natürlich… äh … tja.«
    Der Wortschwall versiegte, und die Hand, die aus dem nassen Ärmel auf Miss Hardy zeigte, sank herunter. Matt bemühte sich um ein ernstes Gesicht, während er die Szene auf sich wirken ließ.
    Vor ihm stand - groß, kräftig und in tropfendes Leder gehüllt - ein Fremder, der sich kaum entscheiden konnte, was ihn mehr begeisterte: das gebratene Restfleisch am Lagerfeuer oder Honeybutt.
    Die Rebellin war näher an Aikos Seite gerückt und schaute etwas ängstlich drein. Mr. Black, obwohl von hünenhafter Gestalt, wirkte seltsam geschrumpft.
    Kein Wunder, denn sein Gegenüber überragte ihn noch um einen Kopf.
    »Jem'shiin«, stellte er sich vor.
    »Vom Clan der shassun - der russischen Jäger, die in den Bergwäldern rings um den Kratersee zu Hause sind und die weder Tod noch Teufel fürchten.« Er knallte seine Faust an die Brust und nickte erwartungsvoll.
    Wenn die Vorstellung auch dick auf getragen wirkte, so schien dieser Mann den Ruf der Jäger zu bestätigen: Er hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als der für ihn ganz sicher nicht begreifliche Translator zu sprechen begann.
    Freundliche helle Augen blitzten unter seinem Schopf hervor, der in Zotteln herunter hing und sich irgendwo auf der Brust mit dem mächtigen, eisengrauen Bart vermischte.
    Als die Freunde nicht antworteten, sprach er weiter: »Habt euch wohl verlaufen, wie? Ist ja auch nicht leicht, dem alten Handelspfad zu folgen - besonders mit einer Frau im Gepäck! Na ja, für mich schon, aber für Dörfler aus… he, wo kommt ihr eigentlich her?«
    »Amarillo«, sagte Aiko, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Aaah!«, rief Jem'shiin, als wäre es der Nachbarort. Dann stutzte er; das freudige Strahlen erlosch und die Brauenspitzen kippten Richtung Nasenwurzel, während er in seinem Gedächtnis kramte. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Kenne ich nicht.«
    Matt entschied, dass der Mann in Ordnung war, und lud ihn zum Bleiben ein - die Nacht brach an,

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