077 - Das Kollektiv
ich kann nichts dagegen tun.
Warum nicht? , fragte Aruula.
Da ist etwas in meinem Kopf, das mich zwingt.
Zorn?
Stimmen. Dushkiin bäumte sich auf.
Ich weiß nicht, wem sie gehören. Aber es ist genau, wie Le'ev gesagt hat: Sie reden, du handelst.
Was sagen sie, Dushkiin? Aruula legte eine Hand auf sein Knie, zog sie jedoch hastig wieder fort, weil der Fischer zu toben begann. Mühsam rang er um Beherrschung.
Töten! , stieß er in Gedanken hervor.
Das sagen sie. Ohne Worte. Es sind nicht einmal Laute. Mehr ein - Gefühl.
Aruula nickte nachdenklich. Sie wusste, wie schwierig es war, die Wahrnehmung des Lauschens zu beschreiben - aber genau das hatte Dushkiin soeben versucht, und wenn er einen solchen Gedankenimpuls tatsächlich von außen empfangen hatte, konnte das nur eines bedeuten: Wer immer hier die unsichtbaren Fäden zog, konnte lauschen ! So wie sie.
Aufmerksam hörte Aruula zu, als Dushkiin vom Kampf gegen das Schlangenmonster erzählte, von der Gedankenvereinigung der Fischer und dem Tod ihres Anführers, der sie ausgelöst hatte. Während er »sprach«, hatte Aruula mehrmals das Gefühl, weitere Stimmen zu hören - aus der Ferne und sehr verschwommen. Aber es hielt nicht an, und so achtete sie nicht weiter darauf. Außerdem war es wichtiger, Dushkiin im Auge zu behalten: Der junge Mann wurde immer wieder von Wutanfällen geschüttelt, die auf Aruula abzielten und jedes Mal heftiger wurden.
Wir müssen abbrechen! , entschied die Barbarin. Sieh dich an, du bist erschöpft!
Wenn du nicht zur Ruhe kommst, fällst du um und bist tot.
Dushkiin antwortete nicht. Speichel lief ihm aus den Mundwinkeln, und seine Haut war fahl. Als Aruula ihm mitfühlend über die Wange streichelte, hob er den Kopf.
Flieh! , brachte er mühsam hervor.
Sonst töte ich dich!
Du bist gefesselt, Dushkiin!
Sie werden kommen und mich befreien!
Er riss an den Stricken, dass es krachte. Sie kommen - du stirbst!
Wer sind sie?, fragte Aruula. Doch als Antwort kam nur Gebrüll; laut und heulend. Die Barbarin sprang auf/griff nach Dushkiin - und schlug ihm hart ins Gesicht. Semjo'on? Le'ev? Kaajin?
Komm schon, rede mit mir! Wer ist es, der mich töten will?
Die Boten , sendete Dushkiin. Die Boten der Götter. Sie - sie haben Yu'uri auch geholt, als sie ihn hören konnten.
Aruula erstarrte. Dushkiin entglitt ihrem Griff und sank in sich zusammen, was sie kaum bemerkte. Wie in Zeitlupe trat die Barbarin zurück und setzte sich.
Todesrochen! Sie hatten erst den Anführer getötet und dann sie - Aruula - zu seinem Volk gebracht. Warum?
Eine Botschaft hatten sie ihr nicht mitgegeben - es wäre auch zwecklos gewesen, da ihr Lauschen nur einige besonders Sensible erreichen konnte.
Auserwählte gewissermaßen, von denen…
Die Erkenntnis kam wie aus dem Nichts.
»Sie sind getarnt!«, flüsterte Aruula überwältigt, und ihre Augen weiteten sich. Was hatte Dushkiin über die Rochen gesagt? Sie haben Yu'uri geholt, als sie ihn hören konnten. Die Barbarin nickte grimmig. »Aber natürlich! Das ist es: Sie wissen nicht, wer die Auserwählten sind! Man erkennt sie erst, wenn sie zu Lauschen beginnen! Bei Wudan!«
Aruula verstummte. Eisige Angst kroch in ihr hoch, als sie sich Dushkiin zuwandte. Er hatte diese Fähigkeit ebenfalls gezeigt - wie lange würde es dauern, ehe die Todesrochen auf ihn aufmerksam wurden?
Ihr bekommt ihn nicht! Niemals!
dachte Aruula trotzig, stieg über den Fischer hinweg, setzte sich und griff nach den Rudern. Maddrax war sicher längst auf der Suche nach ihr - wenn sie es nur schaffte, das Boot an die Küste zu bringen, würde er sie beide retten.
Ganz bestimmt.
***
»Ich höre ihn!« Le'ev reckte den Kopf vor, lauschte nach innen und fuhr zurück. »Bei Ya'shüra! Sie hat ihn geschlagen! Die Fremde hat Dushkiin geschlagen!«
»Das hat er nun davon, dass er ihr helfen wollte«, brummte Wiko'o, während er unbewusst sein eigenes Kinn betastete. Der Junge stand bei den Booten am Ufer und spähte hinaus in die schwarze Weite des Meeres: Irgendwo dort draußen mussten sie sein - Aruula, die Großvater Semjo'on auf dem Gewissen hatte, und Dushkiin, der Verräter.
Es war seine Stimme gewesen, die Wiko'o aus unruhigem Schlaf gerissen und ins Freie getrieben hatte. Wider besseren Wissens war er an den Strand gelaufen - keine Frage, dass die Frau mit den großen Brüsten sich dort nicht mehr aufhielt, aber man musste trotzdem versuchen, sie zu fangen! Allein schon des Großvaters wegen. Überhaupt durfte
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