077 - Das Kollektiv
sein Kinn.
Der Fischer klappte zusammen; Aruula fing ihn auf, ließ ihn zu Boden gleiten - und aktivierte ihren Lauschsinn.
Voll konzentriert und mit geschlossenen Augen richtete die Barbarin ihren tödlichen Ruf an den Jungen; diesen lüsternen Halbwüchsigen, dessen Hirn scheinbar nur Platz bot für einen einzigen Gedanken.
Brüste! , scholl es durch Aruulas Geist.
Du willst sie? Komm und greif sie dir! forderte die Barbarin Wiko'o heraus, richtete sich auf und löste den Verschluss ihres Oberteils.
Gieriges Aufheulen war die Antwort, und ein vielstimmiges Echo schloss sich an: Durch die Erregung war die besondere Fähigkeit des Jungen erwacht - und hatte ein Kollektiv aktiviert.
Aruula verbot sich jeden Gedanken an die nahende Gefahr auf dem Wasser, um Wiko'o nicht zu warnen, und provozierte ihn weiter, indem sie mit beiden Händen über ihre vollen Brüste strich. Die Verbindung stand!
Sie musste nur gehalten werden. -Lange genug…
»Da! O ihr Götter - seht nur!«, hörte die Barbarin eine entsetzte Stimme schreien. Im gleichen Moment sah sie die nahenden Todesrochen herumschwenken.
Lautlos, mit den weiten, majestätischen Bewegungen ihrer Art änderten die beiden Wesen den Kurs und flogen auf das Boot der Fischer zu.
Fünf, sechs weiche Schwingenschläge, dann hatten sie es erreicht und begannen zu kreisen. Augenscheinlich suchten sie den Auslöser des Kollektivs.
Panik brach aus; die Männer hasteten schreiend durcheinander und zerrten sich gegenseitig fort - im verzweifelten Bemühen, irgendein Versteck zu finden.
Aruula stockte der Atem. Erst jetzt - nachdem ihr Lauschen beendet war und die Fischer nichts mehr wahrnahmen außer der eigenen Angst, wurde ihr wirklich bewusst, was sie getan hatte.
Um sich und Dushkiin zu retten, hatte sie den Rochen ein anderes Opfer vorgeworfen. Aber Wiko'o war nicht das gierige, abstoßende Monster, das ihre Vorstellung von ihm verlangt hatte zu sein - damit es leichter fiel, ihn zu opfern. Er war nur ein Halbwüchsiger, der seine Sexualität entdeckte, gerade mal zwölf Jahre alt und einzig damit beschäftigt, sein vermeintliches Erwachsensein unter Beweis zu stellen.
Schmal und verloren stand er am Bug, den Blick auf die Barbarin gerichtet - voller Nichtbegreifen; ohne Anklage, ahnungslos.
»Net! Neetu!«, rief die Barbarin, als die Todesrochen rechts und links des Hecks herumschwenkten und das Boot umkreisten, bis sie ihr Ziel gefunden hatten.
Wiko'o sah sie nicht kommen. Die Todesrochen kippten ab und fuhren die Tentakel aus.
Aruula erwachte aus ihrer Starre.
»Spring!«, schrie sie Wiko'o zu, die Faust hochgerissen und vergeblich bemüht, ihren Lauschsinn zu aktivieren.
»Los, Wiko'o, spring über Bord!«
Es hätte eh nichts genützt.
Sie packten den Jungen im Flug; mühelos, wie Schwalben auf der Insektenjagd.
Aruula zwang sich hinzusehen, als sie ihn in Stücke rissen - mehr konnte sie nicht tun, um Reue zeigen.
Es war nicht genug. Es ist niemals genug.
Körperteile schlugen auf dem Wasser auf; klatschend, von Blut und Schaum umspült. Die entsetzten Fischer rannten zu den Rudern, legten sie ein und flohen, so schnell es nur ging.
Dabei hätten sich nicht beeilen brauchen - die Rochen zeigten kein Interesse mehr an ihnen.
Im Gegenteil; kaum hatten sie eine letzte Runde über dem Ort des Todes gedreht, als sie die kristallbestückte Stirn nach unten wandten und im Steilflug den rauschenden Wellen entgegen glitten. Gleich darauf waren sie verschwunden.
»Wudan sei Dank - es ist vorbei!«, sagte Aruula aufatmend. Leider hatte sie Unrecht. Der Barbarin blieb keine Zeit, um Luft zu schöpfen für den Schrei, den ihr Verstand einforderte: Hände legten sich um ihre Kehle und die Hüften - feindliche Hände mit hartem Griff.
Dushkiin war schneller als erwartet wieder zu sich gekommen; zu spät um einzugreifen, aber zeitig genug, um den Todesschrei des Jungen zu hören - in seinem Kopf! Noch ein Mal hatte sich ein Kollektiv gebildet. Nun zeigte es Wirkung.
Dushkiin drückte zu. Aruula wehrte sich mit aller Macht, aber es gelang ihr nicht, sich zu befreien. Die körperlichen und seelischen Anstrengungen waren einfach zu viel gewesen und forderten ihren Tribut. Aruula begann zu keuchen. Rote Nebel wallten vor ihren Augen, das Herz hämmerte ihr gegen die Rippen, und ein alles überdeckendes Schwindelgefühl erfasste ihren Verstand.
So ist das also, wenn man stirbt , dachte sie noch, während eisige Kälte durch ihren Körper kroch.
Dann wurde es
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