0771 - Der Knochen-Sessel
Punkt hing ein Stab mit vier Strahlern, die in vier verschiedenen Richtungen leuchteten, wenn das Licht eingeschaltet wurde.
Er knipste sie nicht an, weil durch das Fenster genügend Helligkeit in die Halle fiel.
Ich war nur wenige Schritte vorgegangen, dann stehen geblieben und schaute mich um. Die Halle war groß, beinahe zu groß für die Dinge, die hier auf die Versteigerung warteten. Sie standen an der rechten Seite. Es fing an bei alten Teppichen, die man über Kommoden und Schränke gehängt hatte, ging weiter bis zu Uhren, unterschiedlich großen Figuren, Kerzenleuchtern, altem Silber und Porzellan.
Und da gab es noch den Skelett-Sessel!
Nicht, dass er einsam gestanden hätte, er fiel trotzdem auf, obwohl er mit einem Tuch verhängt worden war, sodass wir seine Form und Höhe nur ahnen konnten. Der Sessel stand günstig. Wenn er transportiert werden musste, dann brauchten nicht erst die anderen Dinge zur Seite geräumt zu werden.
Donovan war stehen geblieben und streckte einen Arm vor. »Das ist er also.«
Ich nickte. »Sie haben ihn verhängt. Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn wir die Decke abnehmen?«
»Das mache ich.«
»Bitte.«
Neben mir stand Abe und grinste. Beide konnten wir unsere Spannung nicht verbergen. Ich zumindest hatte das Gefühl, dass etwas Entscheidendes passieren würde, aber ich hielt mich zurück und sagte erst mal nichts.
Archie Donovan ging auf den Sessel zu. Wir schauten auf seinen schmalen Rücken. So wie er sich bewegte, wirkte er wie ein Dirigent, der zu seinem Orchester schritt. Vor dem Sessel blieb er stehen. Er bückte sich und fasste die braune Decke an zwei verschiedenen Stellen an.
Um uns herum war es ruhig. Die Spannung, die sich aufbaute, verstärkte sich immer mehr. Ich wusste selbst nicht den Grund und wurde immer nervöser. Vielleicht auch deshalb, weil ich einfach das Gefühl hatte, etwas Entscheidendes und Einschneidendes zu erleben. Als würde mein Leben mit der Entdeckung des Sessels einen Dreh bekommen.
»So, hier haben Sie ihn.« Donovan zog die Decke weg. Sie flatterte in seinen Händen wie eine Fahne und senkte sich dann.
Wir hörten den Schrei. Donovan hatte ihn ausgestoßen. Er wankte zwei Schritte zurück, drehte sich zur Seite, sodass wir erkennen konnten, wie kreidebleich er geworden war. Seine Augen traten ihm aus den Höhlen, das Gesicht war bleich. Aber diese Eindrücke verschwanden innerhalb weniger Sekunden, denn der Blick auf den Skelett-Sessel war frei.
Endlich sahen wir ihn.
Leider nicht nur ihn, sondern auch den Toten, der zusammengekrümmt auf der Sitzfläche des Sessels hockte…
***
Wenn der Sessel alt war, dann war zumindest das Kissen neu. Es lag dort. Der Tote war ausgeblutet. Jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten. Das musste schon eine Weile zurückliegen.
Das Blut war auf das Kissen getropft und war dort getrocknet.
Jetzt wusste ich, was mich schon beim Eintreten gestört hatte. Es war der Geruch gewesen.
Ich schüttelte mich und schaute nach links, wo Donovan stand.
Neben mir hielt sich Abe Douglas auf. Er fluchte leise, und was er sagte, war kaum druckreif.
Archie Donovan wirkte, als würde er jeden Augenblick in Ohnmacht fallen. Sein Gesicht sah grau und grün zugleich aus. Die Augen waren ihm weit hervorgetreten. Die Hände zitterten. Er wollte etwas sagen, öffnete immer wieder den Mund, ohne jedoch ein Wort hervorbringen zu können, nur keuchende Laute.
Der Tote trug ein dunkles Hemd und Jeans. Das Hemd war ebenfalls mit Blut getränkt. Seltsam war nur, dass der Sessel keine Blutflecken zeigte. Das Blut hatte sich auf den Körper des Mannes und das Kissen konzentriert. Sein Gesicht zeigte ein fast irres Erstaunen, als hätte er in den letzten Sekunden seines Lebens etwas gesehen, das er nicht deuten konnte.
Ich drehte den Kopf, als ich vor dem Toten stoppte. Zweimal musste ich Donovan ansprechen, bis er mich anschaute. »Was – was haben Sie gesagt, Mister?«
»Ich möchte wissen, ob Sie diesen Mann hier kennen.«
Er nickte. »Ja, ja, den kenne ich. Den kenne ich sogar gut. Es ist Carlos Harriman, der Experte. Er hat hier die Preise festgesetzt…«
Kopfschütteln. »Es ist unbegreiflich, unfassbar! Ich – ich muss die Auktion absagen.«
Der letzte Satz gefiel mir überhaupt nicht. »Nein, Mr. Donovan, das werden Sie nicht tun. Sie werden die Auktion so ablaufen lassen, wie Sie es vorgesehen haben.«
Er wollte widersprechen. Ich war schneller. Zudem hatte ich das Nicken meines Freundes Abe
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