Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0772 - Das Gericht der Toten

0772 - Das Gericht der Toten

Titel: 0772 - Das Gericht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
nicht gewesen und hätte für etwas frischere Luft gesorgt, wäre mir schon übel geworden, so intensiv war dieser Geruch.
    Ich streckte meine Beine vor. Es war die Gymnastik eines Fatalisten, denn aus eigener Kraft konnte ich mich nicht mehr bewegen, weil die Fesseln zu stramm saßen. Die waren wie Ketten und würden mich nicht freilassen.
    Hilflos war ich ihnen ausgeliefert.
    Mich hielten nicht nur zwei oder drei Stricke. Ich war regelrecht verschnürt worden und konnte meine Arme nicht einmal um eine Fingernageldicke von der Sessellehne abheben.
    So blieb mir nichts anders übrig, als auf das Gericht der Toten zu warten, wobei ich hoffte, dass sich meine Richter nicht allzu viel Zeit lassen würden.
    Aus der Dunkelheit irgendwo vor mir hörte ich ein leises, zischendes Geräusch. Das war bestimmt kein Luftballon, aus dem die Luft entwich, und meine Spannung stieg allmählich an. Als sich das Geräusch wiederholte, wusste ich, was es war. Hier hatte jemand zweimal scharf ausgeatmet. Aber wer? Ein Monster? Ein lebender Toter?
    Eine wandelnde Leiche? Ich musste mit allem rechnen und ärgerte mich noch stärker über meine Hilflosigkeit.
    Dem Geräusch folgte die Stimme. Schwach nur, aber für mich gut zu verstehen. »Sind Sie okay?«
    Es war die Stimme einer Frau, und sie hatte französisch gesprochen. Ich wusste noch immer nicht genau, wo ich mich befand.
    Wahrscheinlich in den französischen Alpen – oder…?
    »Oui, ich bin okay.«
    »Gut.«
    »Nein, nicht gut. Ich bin gefesselt.«
    »Das weiß ich. Aber ich kann hier nicht weg. Mir ergeht es nicht anders. Sie haben mich an zwei Ringe gebunden, die in der Wand befestigt sind. Ich komme nur einen Schritt weit und kann die Dunkelheit nicht verlassen.« Ihre Stimme hörte sich gepresst an. Es lag auf der Hand, dass die Frau Mühe hatte, Haltung zu bewahren, und ich wollte sie ein wenig trösten.
    »Keine Sorge, wir leben, und das ist ein gutes Zeichen.«
    »Finden Sie?«
    »Ja, warum nicht?«
    Mich erreichte ihr trocken klingendes Lachen. »Das sieht bei mir anders aus. Ich weiß nicht, was ich denen getan habe, aber sie haben mich in der letzten Nacht erwischt.«
    »Was trieb Sie denn in die Berge?«
    »Der Beruf. Ich bin Fotografin. Ich arbeitete an einem Bericht über seltene Pflanzen in den Hochgebirgsregionen hier in Europa.«
    »Da sind die Alpen genau richtig.« Die Frau räusperte sich. »Wie bitte?«, fragte sie dann erstaunt. »Haben Sie Alpen gesagt?«
    »Genau.«
    »Das ist ein Irrtum, Monsieur. Wir befinden uns zwar in den Bergen, aber nicht in den Alpen.«
    »Wo dann?«
    »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
    »Nein«, sagte ich erstaunt, »das will ich nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Gut, ich glaube Ihnen. Wir sind in den Pyrenäen.«
    »Aha«, sagte ich nur. Mehr fiel mir nicht ein. Ob in den Alpen oder den Pyrenäen, es änderte nichts an der Situation. Ich war und blieb ein Gefangener.
    »Sind Sie jetzt überrascht?«
    »Ein wenig schon.«
    »Mehr nicht?«
    »Wie meinen Sie das?«
    Sie atmete schnaufend. »Wissen Sie, ich kann mir nicht vorstellen, dass man es einfach so hinnimmt, von diesen Wesen gefangen worden zu sein. Das sind doch keine Menschen, das sind Monster, lebende Tote. Ja, ich glaube inzwischen, dass man sie als Zombies bezeichnen kann. Ich habe sogar von Einheimischen gehört, dass es diese Wesen geben soll. Alte Mönche, die seit Jahrhunderten versteckt in den Bergen leben. Darüber habe ich natürlich gelacht, jetzt nicht mehr.«
    »Mönche«, sagte ich leise. »Es sind einmal Mönche gewesen. Was dann geschehen ist, weiß ich auch nicht.«
    »Dann wissen Sie schon viel. Zumindest mehr als ich.«
    »Kein Widerspruch.«
    Sie wechselte das Thema. »Wie heißen Sie eigentlich, Monsieur?«
    Ich lachte leise. »Nicht Monsieur, sondern Mister. Ich bin Engländer und heiße John Sinclair. Aber sagen Sie bitte John zu mir, alles andere wäre in dieser Lage unpassend.«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen. Ich bin Rose Cargill und stamme aus dem Elsass. Man nennt mich auch Rose.« Sie lachte. »Aber sagen Sie bitte nicht Rosie, das habe ich schon als Kind gehasst.«
    »Keine Sorge. Da wir jetzt schon einiges voneinander wissen, können wir uns überlegen, wie es weitergeht.«
    »Was meinen Sie?«
    »Wir müssen hier raus!«
    »Himmel, Sie haben Nerven. Glauben Sie denn, das würden diese Bestien zulassen? Ich wundere mich sowieso, dass ich noch nicht irrsinnig geworden bin. Einige Male stand ich kurz davor, habe mich aber immer

Weitere Kostenlose Bücher