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0772 - Das Gericht der Toten

0772 - Das Gericht der Toten

Titel: 0772 - Das Gericht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Haut über den Steinboden. Als er in den Lichtschein der Kerze geriet, sah ich zum ersten Mal seine Hände.
    Nein, das waren Krallen. Lang und widerlich, leicht gekrümmt und hornig. Damit konnte er Körper zerreißen.
    Mein Optimismus geriet ins Wanken. Ich wusste nicht, welcher Befehl dieser Bestie übermittelt worden war. Wenn ich mir aber die Pranken anschaute, konnte es gut sein, dass er nicht das tat, was ich mir wünschte.
    Er passierte mich.
    Rose sprach mit sich selbst. Hastige, geflüsterte Worte. Damit wollte sie wahrscheinlich ihre Angst unterdrücken, denn auch sie traute dem Frieden nicht.
    Die Gestalt tauchte in die Dunkelheit ein. Ihre Umrisse waren für mich nur noch zu ahnen. Ich hörte sie stöhnen – oder war es die Frau? Da mischten sich die Geräusche, und ich warf einen Blick auf den Richter, der sich nicht rührte.
    Tat er mir den Gefallen? Fühlten er und seine Wesen sich tatsächlich stark genug? Ich konnte es nur hoffen und drückte Rose und mir die Daumen, denn das war wirklich unsere letzte Chance. Und ich hoffte auch darauf, dass die Fotografin Nerven bewies und später nicht durchdrehte.
    Er hatte sie erreicht.
    Rose war verstummt. Nein, sie atmete noch. Schwer, heftig und keuchend. Wenn die Gestalt so dicht vor ihr stand, musste sie Schreckliches durchmachen, und ich hörte auch ihr Flüstern. »Nicht die Krallen, nicht die Krallen…«
    Etwas klirrte. Wahrscheinlich waren es die Eisenringe, die gegen das Gestein stießen. Bedeutete dieser Laut, dass der grüne Teufel dem Befehl gefolgt war?
    Die Antwort gab mir der Richter. »Sie ist frei!«, keuchte er.
    Ich schloss für einen Moment die Augen. Lächelte sogar. Schweiß perlte über meinen Körper, und ich musste mich stark zusammenreißen, um nicht die Nerven zu verlieren. Letztendlich war auch ich kein Roboter, nur ein Mensch, der aus Erfahrung gelernt hatte und seine Nerven einigermaßen im Zaum hielt.
    Das grüne Monster kehrte zurück. Es kam aus dem Schatten. Die Augen blickten böse wie eisige Ovale. Er ging so dicht an mir vorbei, dass er meine Schulter streifte. Ich hatte das Gefühl, als würden Krallen durch meine Haare kratzen. Dann war er vorbei.
    Ich hatte mich wieder gefangen und konnte nur hoffen, dass Rose Cargill die Nerven behielt.
    Ich sprach sie an. Sie rührte sich nicht. Nur ein Schluchzen wehte mir entgegen. »Bitte, Rose, Sie haben meinen letzten Wunsch gehört. Kommen Sie her, umarmen Sie mich. Bitte!«
    »John, was soll das? Wir sind verloren. Ich habe eine Galgenfrist. Die werden uns vernichten und…«
    »Bitte, Rose!« Meine Stimme war drängend geworden und hatte einen metallischen Klang angenommen. Verdammt noch Mal, sie sollte sich zusammenreißen, denn es kam einzig und allein auf sie an, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte.
    Wieder verstrichen einige Sekunden. Die Bewegung ahnte ich mehr, als dass ich sie sah. Dann aber hatte sich Rose Cargill überwunden. Sie löste sich, ging weiter, doch es war mehr ein Schwanken als ein normales Laufen. Die Arme hielt sie seitlich gestreckt, als wollte sie so das Gleichgewicht halten. Ihr Gesicht wirkte im Schein der Kerze wie eine Maske aus Wachs. Es war starr, doch gleichzeitig liefen Schweißtropfen in langen Bahnen daran entlang. Zusätzlich rannen noch Tränen aus den verweinten Augen.
    Ich lächelte ihr zu.
    Ihr Mund zuckte. Es war bestimmt kein Lächeln. Diese Frau musste sich fühlen wie jemand, der seiner eigenen Hinrichtung entgegenschreitet. Uns trennten wenige Schritte, und diese Distanz legte sie zitternd zurück. Wir waren zwar Fremde, aber in diesem Fall Verbündete, die gemeinsam in den Tod gehen sollten.
    Rose schaute auf mich herab.
    Sie weinte. Ich sah ihr an, dass sie etwas sagen wollte, doch sie brachte kein einziges Wort über die Lippen.
    »Bitte«, sagte ich leise, »umarme mich…«
    Sie zwinkerte mit den Augen. »Aber was soll ich…?«
    »Tu es!« Ich drängte, denn ich wusste auch, dass man uns genau beobachtete. Ich wollte ihr etwas sagen, konnte aber nicht laut sprechen und musste sie so nahe wie möglich an mich herankommen lassen.
    Sie streckte mir ihre Arme entgegen und sah jetzt aus wie ein Kind, dass sich noch nicht richtig entschieden hatte.
    »Umarmen!«, zischelte ich.
    Endlich beugte sie sich nieder. Ihre Hände fanden meine Schultern, glitten daran entlang bis hin zu den Armen, was mir noch immer nicht genügte, denn ihr Oberkörper war noch zu weit von mir entfernt. »Richtig, Rose, richtig. Wie bei einem

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