0774 - Baphomets böse Brut
hindern, ihn weiter zu benutzen. Sie spielen nicht nur mit dem Feuer, denn vor ihm kann man sich noch retten. Sie… Sie spielen mit Ihrem Leben, Mr. Sinclair. Sie pokern bereits mit dem Sensenmann, der unsichtbar hinter Ihnen steht und seine Waffe schwingt. Wenn Sie mir den Sessel nicht überlassen, haben Sie Ihr Leben verwirkt. Wollen Sie das nicht endlich begreifen?« Er hatte bei seinen Worten einen knallroten Kopf bekommen, hatte sich aufgeregt, und das wiederum machte mir den Mann im Prinzip sympathisch.
Er hätte nicht so reagiert, hätte er stur auf der anderen Seite gestanden, die zu meinen Todfeinden gehörte. Bei ihm zählte noch das Wort Menschlichkeit. Daher achtete ich ihn. Mit einem Zischen atmete er aus, hob die Arme und deutete mir damit an, daß alles gesagt worden war.
»Sie haben mich also warnen wollen, Mr. Levi.«
»Das zumindest.«
»Und weiter?«
»Wieso weiter?« rief er und mußte sich den Schweiß von seinem Gesicht wischen. »Hat das denn nicht gereicht? Es ist am besten, wenn wir losfahren und den Sessel holen oder ihn…«
»Pardon, Sie meinen, in meine Wohnung?«
»Klar.«
»Dort befindet er sich nicht.«
Die Eröffnung schockte ihn. »Moment mal, der Sessel steht gar nicht in Ihrer Wohnung?«
»Nein.«
»Wo dann, zum Henker?«
Ich lächelte, bevor ich ihm ein weiteres Rätsel aufgab. »Nicht einmal in London, Mr. Levi.«
Sein Mund klappte auf. Er schloß ihn nicht sofort wieder, sondern ließ ihn für eine Weile offen. Ich hörte ihn laut atmen, die Luft schoß aus seiner Kehle. »Das ist ein Hammer«, flüsterte er. »Meine Güte, damit habe ich nicht gerechnet.« Er schaute mir ins Gesicht. »Befindet er sich tatsächlich nicht hier in London?«
»Sie haben richtig gehört.«
»Wo dann?«
Ich lächelte mokant. »Mr. Levi, glauben Sie im Ernst, ich würde Ihnen das verraten? Nein, so etwas kommt nicht in Frage. Ich habe den Sessel ersteigert, ich habe dafür bezahlt, und zwar nicht wenig, und ich werde den Sessel auch behalten. Damit sollten Sie sich endlich abfinden. Ich gehe dabei keinen Kompromiß ein.«
Er schüttelte sich, als hätte er einen Kälteschock bekommen. »Dann kann ich Ihnen auch nicht mehr helfen. Dann… dann werden Sie vernichtet werden.«
»Noch lebe ich!«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht mehr lange, Mr. Sinclair, nicht mehr lange.«
»Meinen Sie?«
Er sprach nicht, er nickte nur einige Male, und wie er das tat, sah es sehr ernst aus. Ich wollte natürlich wissen, wer mich da auf die Todesliste gesetzt hatte, und ich stellte deshalb die entsprechende Frage.
Amos Levi stierte nach vorn. »Ich kann es Ihnen nicht genau sagen. Es sind«, er suchte nach den richtigen Worten, »verdammt, es sind einfach Wesen.«
»Wie das?«
»Welche, die Sie nicht begreifen können, die auch ich nicht begreife, Mr. Sinclair. Sie sind da, sie leben, sie halten sich versteckt.« Er fuchtelte mit beiden Händen in der Luft. »Sie sind überall, man kann sie nicht sehen. Für sie sind die Grenzen fließend, für uns nicht. Sie sind metaphysisch, sie sind unsichtbar und trotzdem kommen sie in unsere Welt. Zudem sind sie stärker als jeder Mensch.«
Das bekam ich Sekunden später bewiesen, denn die Arme des Mannes waren noch immer gereckt.
So sehr er sich auch bemühte, sie zu senken, er schaffte es nicht. Es schien so zu sein, als würden sie tatsächlich von unsichtbaren Klammern festgehalten. Sein Gesicht zuckte, der harte Schmerz breitete sich darauf aus. Er sah gequält aus, er atmete schneller, dann stöhnte er.
Ich stand auf.
Noch immer hatte er die Hände erhoben. Ich konzentrierte mich auf sie, denn ihre Flächen waren mir zugedreht. Es waren normale Hände, vielleicht mit etwas zu kurzen, kräftigen Fingern und gerade geschnittenen Nägeln. Zwischen den Handflächen und den Fingern wurde das Fleisch durch einige Schwielen ausgebeult. Auch das sah ich als normal an. Deshalb konzentrierte ich mich auf die Handgelenke, denn dort wurde er gehalten. Wenn ich mich nicht irre, dann sah ich die Haut von einer unsichtbaren Kraft eingedrückt.
»Helfen Sie mir«, ächzte der Mann. Die Angst lag wie Fieber in seinen Augen.
Ich ging vor.
Da passierte es.
Ich sah das Blut.
An beiden Handflächen zugleich entstanden die Wunden. Dünn und schräg, als hätten zwei nicht sichtbare Messer in die Haut hineingeschnitten. Da wußte ich, daß mir Amos Levi keinen Bären aufgebunden oder gescherzt hatte.
Ihm ging es tatsächlich mehr als dreckig…
***
Nein, ich war
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