0774 - Vampirblut
Hand wischte sich Lisa fahrig über die flackernden Augen, als wollte sie das Bild dieses Mannes vertreiben. Ihr Atem ging rasselnd. Ihre Brust hob und senkte sich unter keuchenden Atemzügen. Ihr Morgenmantel war auseinander gerutscht, aber Lisa nahm ihre Blöße gar nicht wahr.
Die Gestalt jedoch blieb. Sie war Realität. Das alles war kein böser Traum. Er kam langsam näher. Seine Züge hatten sich zur Physiognomie der Boshaftigkeit verwandelt. Etwas Zwingendes, Unduldsames ging von ihm aus.
Lisa wich einen halben Schritt zurück, dann stieß sie mit dem Rücken gegen das Handwaschbecken. Sie hob die Faust mit dem Stielkamm.
»Komm nicht näher!«, zischte sie, halb wahnsinnig vor Angst. Sie fintierte mit der Nadel in seine Richtung. Wirr hingen ihr die vom Duschen noch nassen Haare in die Stirn. Ihr Gesicht war totenbleich, als wäre jeder Blutstropfen daraus gewichen. Lisas Mundwinkel zuckten unkontrolliert.
Jim Spacey blieb abrupt stehen. »Wie du willst!«, knirschte er. Aus ihm sprach GORG-HON. Der Dämon erfüllte ihn mit unseligem Leben.
Intensiv starrte er auf die Nadel in Lisas Hand. Er konzentrierte sich. Sein Blick traf die verchromte Nadel, und diese erglühte, verbog sich, und Lisa spürte fürchterliche Hitze in ihrer Hand.
Sie öffnete sie, und der Kamm fiel auf den Boden. Es roch nach verbrannter Haut. Das Plastik des Kammes war geschmolzen. Der Schmerz von der Brandwunde pulsierte bis unter Lisas Schädeldecke.
Langsam hob sie die Hand und starrte aus aufgerissenen Augen auf die Verbrennung. Sie brachte keinen Ton hervor - lediglich ein ersterbendes Gurgeln löste sich in ihrer Kehle.
Sie starrte jetzt in die unergründlichen Augen des Mannes. Ein Bann, aus dem sie sich nicht zu lösen vermochte, hielt sie im Klammergriff. Das Badezimmer begann sich um sie herum zu drehen. Schneller, immer schneller…
Und plötzlich stürzte Lisa. Hart schlug sie auf die Fliesen. Ihr Verstand war ausgeschaltet. Die Motorik ihres Körpers funktionierte nicht mehr. Ihr Gehirn sandte keine Signale mehr aus - Lisa war willenlos. Sie war diesem Scheusal auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Mit der Kraft seiner Gedanken setzte er sie vollkommen außer Gefecht.
Hier war eine schwarzmagische Macht am Werk, der der Mensch nichts entgegenzusetzen hatte.
Und jetzt spürte Lisa stechenden Schmerz in den Eingeweiden. Es war wie ein Feuer, das in ihr entfacht worden war und das sie innerlich verzehrte. Sie bäumte sich auf, ihre Lippen klafften auseinander, aber der Schrei wollte sich nicht lösen. Unbeschreibliche Qual ließ ihre Augen tränen, sie wand sich am Boden, presste die Hände vor den Leib, ihr Körper krümmte sich zusammen, ihre Beine zuckten unkontrolliert.
Ungerührt starrte das höllische Wesen auf sie hinunter. Es kannte kein Mitleid. Jim Spacey stand voll und ganz im Banne des Bösen - er war das Böse. Er wollte quälen.
Unablässig fixierte er Lisa. Er suggerierte ihr die höllischen Schmerzen. Lisa indes hielt den wühlenden Schmerz für Realität. Sie warf sich am Boden hin und her, schlug sich den Kopf an, verdrehte die Augen und keuchte rasselnd.
Schließlich aber nahm Jim Spacey seinen Blick von ihr. Augenblicklich verschwanden die Qualen. Lisa fiel zurück und erschlaffte. Blutiger Schaum stand auf ihren Lippen, die sie sich wundgebissen hatte. Erschöpfung überfiel sie gleich einer beginnenden Ohnmacht.
Breitbeinig und dunkel stand Jim Spacey vor ihr. Aus ihrer Perspektive schien er ihr unendlich groß. Lisa röchelte.
»Steh auf!«
Die barsch ausgestoßenen Worte rissen Lisa aus ihrer Betäubung. Sie begriff, dass sie verloren war. Was erwartete sie? Das Grauen kam. Wie von Schnüren gezogen erhob sich Lisa.
Das Wesen packte sie mit beiden Händen. Ein Sog erfasste sie beide. Die Umgebung veränderte sich…
Als Lisa zum Denken kam, fand sie sich in einem alten Gemäuer. Ein Gewölbe dehnte sich über ihr. Dornengestrüpp rankte an den Wänden. Der Boden bestand aus Steinplatten und war kalt.
Lisa schaute sich um.
Der Mann, der sie abgeholt hatte, war verschwunden. Sie sah das Flirren, mit dem sich Amanda ankündigte. Es war, als tanzten Tausende winziger Lichtmoleküle in der Luft. Eine Gestalt nahm Formen an.
Es war eine schöne Frau. Sie lächelte maliziös…
***
Zamorra spürte den Druck der Strahlenwaffe, die er hinter seinen Hosenbund geschoben hatte. Er und Nicole saßen auf der Bank im Flur des gerichtsmedizinischen Instituts. Finsternis hüllte sie ein. Der
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