0775 - Lady Luzifer
denn Jane Collins sah auf den ersten Blick aus, als wäre sie tot.
Deshalb auch der Schreck, der mich glühend durchfuhr. Ich riß mich wieder zusammen, konzentrierte mich noch intensiver auf die Gestalt und konnte endlich aufatmen, denn ich hatte gesehen, daß Jane nicht nur atmete, sondern sich auch bewegte.
Sie lebte also.
Aber es ging ihr nicht gut. Sie riß hin und wieder den Mund auf, klappte ihn sofort wieder zu und wirkte deshalb wie ein Fisch, der auf dem Trockenen gelandet war und nach Luft schnappte.
Die Schwarzhaarige sprach weiter.
Sie redete ziemlich langsam, aber sehr intensiv. Ich bekam mit, wie sich ihr Körper bei manchem Wort zuckend bewegte, als wollte sie im nächsten Moment in die Höhe springen und dann wieder zurückfallen. Auch die Arme blieben nicht ruhig. Sie zuckten, und ich sah ebenfalls ihre Hände, wie sie sich manches Mal zu Fäusten schlossen und zuvor mit den Nägeln über das Laken kratzten.
Jane Collins ging es schlecht!
Daß dies so war, daran trug die schwarzhaarige, mir fremde Person die Schuld. Ich stellte mir die Frage, wer sie war. Natürlich eine Feindin, doch wer stand auf der anderen Seite?
Zum einen der Teufel persönlich, der es nicht überwinden konnte, daß gerade Jane Collins ihm durch die Lappen gegangen war, obwohl er sich ihrer so sicher gefühlt hatte. Er verfolgte sie mit seinem Haß, mit seinen Rachegelüsten, und er war ein Dämon, der niemals aufgab und sich immer wieder neue Fallen einfallen ließ, so wie diese hier, denn die schwarzhaarige Person konnte durchaus zum Kreis der Hexen zählen, die dem Teufel zu Diensten waren. Er liebte die Personen, die sich ihm hingaben, er beschützte sie, er mochte sie, er setzte sie für sich ein, und sie enttäuschten ihn nicht.
Ich ging davon aus, daß sich Jane Collins nicht in einer unmittelbaren Todesgefahr befand, doch aus eigener Kraft würde sie sich aus dieser Lage kaum befreien können.
Also mußte ich etwas unternehmen.
Da ließ die Schwarzhaarige das Buch sinken. Die Bewegung kam mir schlaff vor, ich rechnete sogar damit, daß es ihr aus den Händen rutschen würde, aber sie drehte sich um und legte das Buch auf den Tisch.
Dort blieb es auch liegen.
Ich wartete ab. Noch war der Zeitpunkt nicht günstig, aber etwas hatte die Frau gestört, sonst wäre sie nicht zur Tür gegangen und hätte sie so hart aufgerissen, um in einen Flur zu schauen, wo es nichts zu sehen gab, er war leer.
Sie drehte sich wieder um, nachdem sie die Tür geschlossen hatte. Jetzt durchforstete sie das Zimmer, blickte auch zum Fenster hin, kam einen Schritt vor und veränderte sich.
Sie nahm eine Haltung ein, die mir bewies, daß sie etwas Außergewöhnliches entdeckt hatte.
Das konnte nur ich sein. Das war ich sogar.
Ich war der Fremde, ich war die Gefahr, und die Frau riß plötzlich einen Revolver hervor, legte an und schoß…
***
Das war kaum zu glauben, ein Unding, etwas völlig Irrationales, mit dem ich in dieser Schnelligkeit nicht gerechnet hatte. Ich hatte die Bewegung gesehen, dachte noch darüber nach, als mich das Mündungslicht bereits etwas blendete und einen Moment später schon die Fensterscheibe zersplitterte.
Auf einem normalen Untergrund hätte ich mich noch zur Seite werfen können, um dem Geschoß zu entgehen, hier aber saß ich wie auf dem Präsentierteller, denn jede falsche Bewegung hätte mich aus der luftigen Höhe in die Tiefe schleudern können.
Aber ich hatte Glück, großes Glück sogar, denn die Kugel erwischte nicht mich, sondern einen Ast, der dicht in meiner Nähe wuchs. Sie peitschte hinein, der Ast bekam einen Schlag und auch eine Schramme, als die Wucht der Kugel die Rinde abriß. Sie hatte ihn in der Mitte getroffen, er knickte noch ab und baumelte vor meinen Augen.
Trotzdem konnte ich sehen, wie sich die Person der zerstörten Scheibe näherte. Sie umfaßte den Griff und zerrte das Fenster auf. Einige noch an den Seiten festklemmende Scherbenstücke lösten sich und prallten zu Boden. Dabei blieben einige im Zimmer, während andere Teile den Weg nach unten in den Hof fanden.
Ich wußte, was diese Person vorhatte. Sie wollte sich ein besseres Schußfeld schaffen, und das hatte sie auch erreicht. Natürlich war auch ich bewaffnet, hätte die Beretta auch gezogen, aber nicht in meiner doch ziemlich instabilen Lage. Falsche Bewegungen, auch wenn es nur das Ziehen der Pistole war, hätten mich leicht in Schwierigkeiten bringen können, und die konnte ich nicht gebrauchen.
Die Frau
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