0776 - Racheengel Lisa
davon.
Lisa blieb noch sitzen. Sie war frei, sie war auch für eine gewisse Zeit in das normale Leben zurückgekehrt, denn so wie sie hier im Café saß, unterschied sie sich kaum von den anderen Menschen.
Und sie schwor sich wieder einmal, nichts auf die lange Bank zu schieben. Die Engel brauchten ihre Hilfe. Nicht grundlos hatten sie sich Lisa ausgesucht. Und sie würde die Freunde in den anderen Sphären nicht enttäuschen, das stand fest.
Zudem stand Lisa Darius nicht allein. Es gab jemand, der sie aufnehmen würde, eine Anlaufstelle, wo Menschen zusammen waren, die ebenfalls so dachten wie sie.
So etwas wie eine Engel-Gesellschaft, die einen bestimmten Namen erhalten hatte.
Angel Friends – Engelfreunde!
Lisa nickte, als sie daran dachte.
Das war bestimmt nicht schlecht, wenn sie dort Kontakt aufnahm, denn diese Leute bewegten sich auf demselben Weg wie sie. Und der konnte nur in den Himmel führen. Als sie daran dachte, lächelte sie und schloss die Augen, um das Bild aus ihren Träumen wieder abzurufen.
Eine herrliche Landschaft tat sich vor ihr auf. Sie war ein Traum aus weichen Farben. Eine herrliche Erde, ein weiter Himmel, blau und golden zugleich.
Ein Himmel mit einem Tor, das weit geöffnet war. Es nahm die Gerechten auf, all die Menschen, die sich von der Erde lösten, um für immer belohnt zu werden.
Und Lisa sah die große und hohe Leiter. Von der Erde her schwang sie dem Himmel entgegen. Sie beschrieb dabei einen Bogen, und sie glänzte so hell wie die Sonne. Ihre Tritte schienen aus Sonnenstrahlen zu bestehen, so hell funkelten sie auf, und die Leiter reichte bis in den blau-goldenen Himmel hinein, wo sie an einem wunderbaren Tor endete, das weit geöffnet war.
Und dort standen sie.
All die herrlichen Engel, die wunderbaren Gestalten, die lichterfüllten Wesen mit ihren reinen Körpern und reinen Gesichtern, die auf Lisa warteten.
Sie streckten ihr die Hände entgegen, sie winkten ihr zu, sie freuten sich, sie lächelten, sie lockten mit feinen wunderschönen Gesängen, doch endlich in das Reich einzutreten.
Lisa verlor sich in ihrem Traum. Sie saß in der Ecke des düsteren Cafés, hielt die Augen geschlossen, träumte und hatte von der realen Welt abgehoben.
Es war wunderbar. Sie bedankte sich bei ihrem Unterbewusstsein, das ihr einen derartigen Traum beschert hatte. Sie freute sich, die Lippen waren zu einem Lächeln verzogen, und sie spürte die Nähe des Engelreichs. Am liebsten wäre sie schon jetzt hineingetaucht und hochgeschwebt, aber sie hatte auf dieser Welt noch manches zu erledigen. Ihre Lippen bewegten sich kaum, als sie flüsterte: »Wartet ab, ihr Lieben, wartet nur ab. Ich werde schon kommen, ich bin ja für euch bestimmt. Ich liebe euch, aber meine Zeit ist noch nicht da…«
»Geht es Ihnen wirklich gut?«
Die wenigen Worte rissen Lisa zurück in die normale Welt. Sie öffnete die Augen, erschrak heftig, als sie die Bedienung vor sich sah, und wischte durch ihr Gesicht. »Pardon, ja, ich bin nur etwas müde.«
»Schlafen dürfen Sie aber hier nicht.«
Lisa nickte. »Ich weiß.« Sie bewegte sich und stand auf. Noch einmal nickte sie der Frau zu. »Entschuldigen Sie.« Dann machte sie sich auf den Weg und verließ das Café.
Die Bedienung schaute ihr kopfschüttelnd hinterher und ging zu einer Kollegin hinter der Verkaufstheke.
»Na, was ist?«
»Ich denke, die hat sie nicht mehr alle auf der Reihe.« Mit einer kreisenden Handbewegung vor ihrer Stirn unterstrich die Person ihre Antwort.
»Was willst du machen, Lilly? Spinner gibt es eben überall.«
»Ja, da hast du Recht.«
***
Natürlich hatten wir eine Fahndung nach Lisa Darius herausgegeben, doch wir waren beide davon überzeugt, dass sie uns nichts bringen würde, denn wir gingen davon aus, dass Lisa ihre Taten genau geplant hatte. Sie machte nichts grundlos, sie wusste, wie sie sich zu verhalten hatte, und sie verfügte über Pläne.
Ich sah noch keine Chance, etwas zu unternehmen, das uns weiterbrachte, deshalb waren wir im Haus des Alfred Darius geblieben und warteten darauf, dass er mit dem Kaffee kam. Wir hielten uns in seinem Wohnraum auf, der im unteren Teil des alten Hauses lag.
Es stand am nördlichen Stadtrand von London, lag relativ einsam in einer ländlichen Umgebung, wo es noch einige Bauernhöfe gab, ansonsten aber viel freies Feld und Wald.
Schmale Straßen, die allesamt einer Schnellstraße zuliefen, die nach London hineinführte. Dort rollte der Verkehr, und er lief an Alfreds
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