0776 - Racheengel Lisa
Haus vorbei, was er auch gut fand. Ich konnte die Straße sehen, weil ich mich vor dem Fenster des Wohnzimmers aufhielt und in östliche Richtung schaute. Über das graue Band hinweg bewegten sich zahlreiche Fahrzeuge, um vom Moloch London geschluckt zu werden.
Darius hatte zu unseren Plänen keinen Kommentar abgegeben, er hatte stumm genickt, als ich ihn noch einmal auf das Tarot-Spiel angesprochen hatte, mit dem sich seine Frau so beschäftigt hatte. Ich hatte ihn gebeten, es zu holen.
Er brachte es zusammen mit dem Kaffee. Gebäck lag ebenfalls bereit, und alles sah nach einer gemütlichen Plauderstunde aus. Nichts mehr wies daraufhin, dass in diesem Haus vor kurzem noch ein Toter gelegen hatte. Darius stellte das Tablett ab, richtete sich auf, schüttelte den Kopf und seufzte. »Wenn ich daran denke, dass meine Tochter frei herumläuft und wahrscheinlich wieder mordet, während wir aber hier herumsitzen, nichts tun und unseren Kaffee trinken…«
»Wir werden etwas tun«, sagte Suko.
»Und was, bitte?« Alfred schaute Suko ungeduldig an und wartete auf die Antwort.
»Wir können nicht irgendetwas machen und somit ins Leere schlagen, Mr. Darius. Wenn wir etwas unternehmen, dann bitte nach einem gewissen System.«
»Das sehe ich nicht.«
»Wir werden es aufbauen«, sagte ich und schenkte den Kaffee in die Tassen. »Da brauchen Sie keine Angst zu haben. Wir finden Ihre Tochter, auch wenn der Weg ungewöhnlich ist.«
»Wie über die Karten.«
»Zum Beispiel.«
Er schwieg und nahm im Sessel Platz, dessen Rückenlehne über seinen Kopf hinwegragte. Das Tarot-Spiel hatte er mitgebracht. Es lag auf dem Tisch. Ich nahm die Karten und fächerte sie auseinander. Sie waren bereits sehr abgegriffen, ein Zeichen, dass sie viel benutzt worden waren. Darius las mir die Frage gewissermaßen von den Lippen ab, er gab schon vorher die Antwort.
»Ich habe seit dem Tod meiner Frau nicht mit ihnen gespielt. Es ist heute das erste Mal, dass ich sie in der Hand halte.« Er räusperte sich. »Ich finde es schon seltsam.«
»Warum?«
»Erinnerungen an Helen.«
»Wie kam sie eigentlich ums Leben?«, fragte Suko.
Darius schüttelte den Kopf, und Suko musste sich vorkommen, als hätte er in einer tiefen Wunde gerührt. »Tja, wie kam sie ums Leben? Es… es war ein Unfall.«
»Mit dem Auto?«
»Nein, Inspektor, sie starb hier im Haus. Sie… sie hat sich an einer Gräte verschluckt. Helen ist erstickt.« Alfred lief rot an. Die Vergangenheit wühlte ihn auf. »Das war furchtbar, wissen Sie? Wir wohnen hier so einsam. Bis der Arzt endlich eintraf, war schon alles vorbei. Da war sie bereits tot. Sie können sich also vorstellen, was meine Tochter und ich durchgemacht haben.«
Das konnten wir.
»Es tut mir Leid«, sagte Suko.
Darius hob die Schultern. »Für mich ist der Tod zwar nicht vergessen, aber ich bin über ihn hinweggekommen. Jetzt möchte ich, dass meine Tochter wieder zurück in die Klinik kommt. Sie ist nicht normal, sie ist wahnsinnig geworden, aber auf eine bestimmte Art und Weise. Ihr Geist hat sich verwirrt. In ihrer Psyche muss ein völliges Durcheinander sein. Sie sieht sich als Mensch an, gleichzeitig auch als eine Gestalt, die von den Engeln geschickt wurde, um das Böse auf der Welt auszurotten. Das ist unmöglich, nur begreift sie es nicht und hat deshalb diese scheußlichen Morde begangen.«
»Wodurch wurde sie wahnsinnig?«, fragte Suko. »Es muss doch einen Grund gegeben haben. Eine entscheidende Situation, einen Punkt, wo sich alles änderte.«
»Nein, sie war schon immer seltsam. Auch als Kind. Sie hatte nur wenige Freundinnen, und auch sie zogen sich später zurück. Lisa kam mir vor wie ein Mensch, der durch das Leben schwebt, der gar nicht mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Sie hat den Kontakt zu einer anderen Welt, zu einem anderen Reich…«
»Durch die Karten vielleicht?«
»Kann sein.«
»Waren Sie nie dabei, als Ihre Frau die Karten legte und Lisa zuschauen ließ?«
»Einige Male.«
»Da ist Ihnen nie etwas aufgefallen?«
Alfred Darius hob die Schultern. »Wissen Sie, wenn man an diese Dinge nicht glaubt, wenn man ihnen skeptisch gegenübersteht, was sollte mir da aufgefallen sein?«
»Die Reaktion Ihrer Tochter, zum Beispiel. War sie deprimiert, war sie fröhlich, sind die Karten positiv aufgegangen? Gab es eine gute Lösung, oder lag zum Schluss nur eine bestimmte Karte offen, eine sehr negative, meine ich.«
»Denken Sie dabei an den Tod?«
»Zum Beispiel.«
»Nein,
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