0777 - Die dritte Tafelrunde
noch rechtzeitig verlassen, bevor der Angriff der Räuberhorde begann.
Lächerlich, dass man ihn für einen Spion der Horde hielt. Aber es sollte ihm Recht sein. Vielleicht verlor sich seine Spur dann umso eher - jedenfalls dieses Mal.
Zwei Tage später war er seinem Ziel beträchtlich näher gekommen. Zwei weitere Morde hatte er verübt (er war sich nicht sicher; waren es nicht in Wirklichkeit vier?), und jedes Mal hatte es Opfer getroffen, deren Schicksal das seine nicht im Geringsten berührte - außer in einem einzigen heiligen Augenblick.
Er hatte zugelassen, dass andere Menschen ihn beobachteten, weil ihn Zeugen nicht störten. Sie konnten ihm nicht gefährlich werden. Das schienen sie zu spüren, weshalb sie vor ihm zurückwichen und sich in ihren Verschlügen verkrochen, um erst wieder hervorzukommen, wenn er sich davonmachte. Dann standen sie auf dem Weg und schüttelten drohend die Fäuste. Was für eine Geste!
Er hatte keine Angst, dass man ihn verfolgen würde, denn er benutzte Wege abseits der großen Straßen. Manchmal wusste er selbst nicht, wo er sich befand, doch wie von unsichtbaren Händen geleitetfolgte er beharrlich seinem Weg. Er würde ihn ans Ziel führen - das Ziel, dessen Anblick ihn jede Nacht in seinen Träumen verfolgte, seit er es vor Jahren überstürzt hatte verlassen müssen.
Das zweite, was ihn plagte, waren die Bilder. Bilder von anderen Toten. Ein Mann in einer Grube in einem Wald. Ein rothaariger Ire. Diese Menschen waren ihm fremd, und doch hatte er das Gefühl, dass er ihnen begegnet sein musste. Nein, besser, begegnen würde. Einst, in fernen Zeiten.
Er schob den Gedanken in den Hintergrund. Er wollte sich nicht damit befassen, was die Zukunft brachte.
Seine ganze Konzentration galt der Vollendiing seiner Aufgabe. Der fünfte und letzte Mord.
Es sollte seinen größten Gegner treffen, der sich erst zu erkennen gegeben hatte, nachdem. Artos gestorben war. Der Mann, der dies alles zu verantworten hatte, weil er mit dem Feuer gespielt und die Dämonen herausgefordert hatte. Er musste sterben, damit sich die Vergangenheit nicht wiederholte.
Der Düstere beschleunigte unmerklich den Trab seines Rappens. Er war seinem Ziel jetzt sehr nahe.
Er durchquerte einen Wald, und als er aus dem Unterholz brach, sah er die Burg vor sich.
Sie sah aus wie zu jenem Zeitpunkt, da er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Nur der Himmel darüber wirkte dunkler, bedrohlicher. Wolken hatten sich zusammengezogen, wie um ihre Schwärze über dem Ort zu konzentrieren.
Der Düstere gab dem Rappen die Sporen und sprengte auf Camelot zu.
***
Gegenwart
Die Bilder wollten nicht aus Foolys Erinnerung weichen. In Evas Gegenwart war er Zeuge geworden, wie der Schatten erneut einen Menschen hingerichtet, ja, förmlich zerfleischt hatte - und er hatte nicht eingreifen können. Eine sonderbare Magie hatte ihn gebannt und zum Zuschauen verurteilt. Evas Magie?
Unwillkürlich fühlte er sich an den Tod seines Elters erinnert.
Er begriff nicht, weshalb dies alles geschehen musste, und er wusste auch nicht, was Eva damit zu tun hatte. Was verband die Opfer mit ihr?
Das größte Rätsel daran war, dass sie es selbst nicht zu wissen schien. Sie verfolgte die Morde mit ebenso viel Abscheu wie Fooly, und sie konnte sich selbst nicht erklären, weshalb sie immer genau zu jener Zeit an den Orten auftauchte, zu der der Schatten zuschlug.
»Ich kann es nicht erklären«, sagte sie auf Foolys Frage. »Ich will ihn nicht wieder sehen, aber ich habe das Gefühl, er kommt zu mir, als wäre es seine Bestimmung, mir etwas zu geben…«
»Zu geben?« Die letzten Worte ließen Fooly aufhorchen.
Das Mädchen, das sich nicht an seinen eigenen Namen erinnern konnte und deshalb von Zamorra und Nicole den Namen »Eva« erhalten hatte, nickte. »Der Schatten ist ein magisches Wesen. Er dürfte eigentlich gar nicht existieren. Ich spüre seine Magie, und jedes Mal, wenn er erscheint, nehme ich einen Teil von ihr in mich auf.« Sie schauderte bei dem Gedanken.
Fooly konnte ihre Gefühle nicht nachvollziehen. Er hatte bei der Begegnung mit dem Schatten nichts gespürt, aber für Eva musste es so schlimm sein wie für ihn ein lebenslanges Küchenverbot im Château Montagne…
»Vier Tote«, flüsterte sie fast unhörbar. Sie blickte Fooly an. »Das heißt, er wird noch einmal kommen…«
»Woher weißt du das?«, fragte der Jungdrache erstaunt.
Sie zuckte die Achseln. »Es ist hier drin.« Sie tippte sich an ihren Kopf.
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