078 - Das Dorf der Wolfsmenschen
seine blutbedeckte Schnauze gegen ihre Schultern und biß leicht zu. Der dünne Stoff ihrer Bluse zerriß, und die Zähne bohrten sich schmerzhaft in ihr Fleisch. Wieder stieß sie einen Entsetzensschrei aus. Der graue Wolf ließ sie los, und sie warf den Kopf zur Seite, als er ihre Kehle durchbeißen wollte. Er erwischte ihre Wange, und sie heulte schmerzgepeinigt auf.
Die Luft war von bösem Knurren und Fauchen erfüllt. Die Wölfe hatten sich in einen Blutrausch hineingesteigert und zerfetzten gierig ihr Opfer.
Die drei Wolfsmenschen betraten inzwischen die Diele. Sie durchsuchten alle Räume der Farm.
Einer blieb vor einer Tür stehen. Seine Nase blähte sich. Mit den krallenartigen Händen drückte er die Klinke nieder und sprang in das Zimmer.
In einem kleinen Bett lag ein blondes Mädchen, das schlief. Es konnte kaum älter als vier Jahre sein. Es lag wie ein Igel zusammengerollt, den Rücken zur Tür gewandt.
Der Wolfsmensch atmete rascher. Die Gier nach Blut schlug wie eine Woge über ihm zusammen. Langsam kam er näher. Seine Krallen öffneten und schlossen sich wild. Er stieß ein tiefes Knurren aus, beugte sich über das Kind.
In diesem Augenblick stürmte der Leitwolf ins Zimmer.
Der schwarze Wolfsmensch hob seine rechte Pranke zum Schlag. Bevor er zuschlagen konnte, stieß der graue Wolf einen zischenden Laut aus. Der Wolfsmensch krallte wütend seine Pranke in die Polster und knurrte bösartig. Wieder zischte der graue Wolf.
Der Wolfsmensch zog seine Krallen zurück und trat einen Schritt zur Seite. Dann beugte er sich wieder vor und schob die Decke zur Seite.
Vorsichtig hob er das schlafende Mädchen hoch. Gemeinsam mit dem grauen Wolf verließ er das Zimmer und trat in die Diele. Schließlich traten sie aus dem Haus. Das Mädchen bewegte sich unruhig, wachte jedoch nicht auf.
Das Rudel Werwölfe sammelte sich. Wieder trabte der graue Wolf voran und die anderen folgten ihm.
Nach einigen Minuten schlug das Mädchen die Augen auf.
„Mama?“ fragte es.
Es dauerte einige Sekunden, bis es merkte, daß es sich nicht mehr im Bett befand.
„Mama!“ schrie die Kleine erschreckt. „Mama!“
Der Wolfsmensch drückte sie stärker gegen seine Brust und ließ ein beruhigendes Brummen hören.
Das kleine Mädchen konnte nicht viel erkennen. Undurchdringliche Dunkelheit war um sie, und die kühle Nachtluft brachte ihren Körper zum Zittern.
„Mama!“ rief sie wieder klagend.
Eine pelzbedeckte Pranke preßte sich über ihren Mund. Sie biß zu und schlug verzweifelt um sich. Der Druck der Tatze verstärkte sich und hüllte ihr Gesicht völlig ein. Sie schnappte nach Luft, doch die Pranke drückte ihr die Nase und den Mund zu. Kreise drehten sich vor ihren Augen, dann wurde sie ohnmächtig. Der Wolfsmensch zog seine Pranke zurück und steigerte sein Tempo.
Eine halbe Stunde später erreichten sie Lyons Town, und das kleine Mädchen wurde in eines der Häuser gebracht. Sie ahnte nicht, daß sie nun eine Sklavin der Werwölfe war.
„Sie sind zurückgekommen“, sagte Susan. Ich trat ans Fenster.
„Sie haben ein kleines Mädchen mitgebracht“, sagte ich entsetzt.
„Das tun sie manchmal“, sagte Susan.
Die schaurigen Gestalten entfernten sich.
„Was machen sie jetzt mit dem Mädchen?“ fragte ich.
„Ihr geschieht nichts“, sagte Susan. „Sie wird sogar recht gut behandelt und magisch beeinflußt. In ein paar Tagen wird sie sich nicht mehr an ihre Vergangenheit erinnern. Sie wird eine gute Dienerin der Werwölfe werden.“
Ich ballte wütend die Hände zu Fäusten. „Dagegen muß man etwas unternehmen“, sagte ich heftig. „Diese Brut gehört ausgerottet!“
Susan sah mich nur schweigend an.
„Uns muß die Flucht gelingen“, sagte ich nach einiger Zeit. „Wir müssen die Polizei verständigen.“
„Sie stellen sich das alles viel einfacher vor, als es ist, Dick“, sagte das Mädchen.
„Ich stelle es mir bei Gott nicht einfach vor.“ Ich steckte mir eine Zigarette an. „Aber wir müssen es versuchen. Ist jemals irgend jemandem die Flucht gelungen?“
„Nein“, sagte Susan. „Manchmal spielen die Werwölfe mit ihren Opfern. Sie lassen sie fliehen, bis sie sich in Sicherheit wähnen, und dann schlagen sie zu.“
„Hm“, meinte ich nachdenklich. „Vielleicht lassen sie uns auch fliehen. Wenn das der Fall wäre, dann würde ich sofort die Polizei verständigen.“
„Die Polizei wird Ihnen keinen Glauben schenken, wenn Sie etwas von einem Dorf erzählen,
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