078 - Das Drachennest
umspannten die Handgelenke des nackten Mädchens. Einer der Männer zog an den Ketten. Claudia wurde hochgerissen. Sie schwebte einen halben Meter über dem Boden und wimmerte.
„Sei still!" knurrte sie Ugo Malpasso an. „Du störst die Ruhe des Meisters."
Doch Claudia war nicht still. Malpasso sprang auf einen der Tische zu, bückte sich und griff nach einer Peitsche, wie ich sie im Orient oft gesehen hatte. Sie bestand aus Nilpferdhaut und wurde vor allem von Sklavenhändlern verwendet. Malpasso bewegte die rechte Hand so blitzschnell, daß die Augen seiner Bewegung kaum folgen konnte. Der Riemen raste auf Claudia zu, traf sie über den Brüsten, und ihre Haut platzte auf. Er schlug noch dreimal zu.
„Noch einen Laut", sagte Malpasso, „dann schlage ich dich so lange, bis du bewußtlos bist!." Claudia warf mir einen flehenden Blick zu, doch ich konnte ihr nicht helfen. Ich wandte den Kopf ab.
„Nun zu Euch, da Mosto", sagte Malpasso. „Der Meister ist von der Pest befallen. Ihr werdet ihn heilen. Und laßt Euch nicht einfallen, mich zu täuschen. Eure Freundin würde eines entsetzlichen Todes sterben. Ihre Qualen würden Tage dauern, und Ihr müßtet zusehen."
Ich versucht meinen Haß und meine Wut zu zügeln. Es war nicht gut, wenn ma sich zu etwas hinreißen ließ.
„Ich habe Euch verstanden, Malpasso", antwortete ich. „Aber ich kann nur wenig tun, wenn ich nicht die Hände frei habe."
Einer der Männer schnitt meine Fesseln ab. Im Augenblick mußte ich gehorchen aber ich hoffte, daß sich bald eine Gelegenheit zum Handeln ergeben würde.
„Kniet nieder, da Mosto!" befahl er.
Ich gehorchte.
Der Vorhang wurde langsam zur Seite gezogen. Ich wußte nicht, was ich zu sehen erwartet hatte, aber gewiß nicht dies, was sich meinen Augen bot.
Die zweite Hälfte des Raumes war in mattes Dämmerlicht getaucht. Einem Dreibein entströmte ein penetranter Geruch. Auf einem gewaltigen thronstuhlartigen Möbelstück saß eine abstoßend häßliche Gestalt.
„Verneige dich, du Hund!" zischte mir Malpasso zu.
Wieder gehorchte ich. Das Zerrbild eines Menschen stieß ein Grunzen aus.
Ich hob den Kopf.
„Ich bin Agostino Moretti", sagte der Koloß.
Jetzt war mir klar, weshalb er sich nicht in der Öffentlichkeit zeigte. Er war gut und gern zwei Meter groß - und genauso breit. Auf einem kugelrunden Leib saß ein froschähnlicher Schädel, der für den Körper viel zu groß war. Der Mund war ein breites Maul, die Nase fehlte völlig, die Augen waren handtellergroß und schimmerten dunkelgrün. Der Schädel war völlig haarlos. Aus den Augen tropfte ständig eine fahlgelbe, klebrige Flüssigkeit. Der fette Körper war völlig nackt. Die Arme waren so dick wie die Schenkel eines erwachsenen Mannes, dafür waren die Hände klein wie die eines Säuglings. Die Beine waren kurz, nur so lang wie mein Unterarm, die Füße völlig verkümmert. Ich war sicher, daß dieses abstoßende Wesen keinen Schritt allein tun konnte. Seine Haut wirkte schuppig; sie war blaßgrün. Und überall auf seinem Körper, seinen Gliedmaßen, seinem Schädel befanden sich daumengroß , schwarze und rote Pestbeulen. Einige waren aufgebrochen, und ein grünes Sekret rann heraus.
„Steh auf!" raunte mir Malpasso zu.
Claudia schrie vor Grauen. Malpasso schlug wieder mit der Peitsche auf sie ein, bis sie nicht mehr brüllte.
„Du wirst mich heilen", flüsterte Moretti.
Ich ging auf ihn zu. Bei jedem Schritt wurde der faulige Geruch stärker. Er schwitzte stark.
Da sah ich die beiden Mädchen, die mir vorher nicht aufgefallen waren. Es waren zwei junge nackte Negersklavinnen, die mit weißen Tüchern den Schweiß von seinem Körper tupften.
Agostino Moretti konnte kein normaler Mensch sein; das war sicher. Ich erinnerte mich an ein Gespräch, das ich mit einem Magier vor einiger Zeit geführt hatte. Er hatte mir über die Schwarze Familie erzählt und dabei erwähnt, daß Dämonen, die sich Verfehlungen hatten zuschulden kommen lassen, also gegen die Interessen und Gesetze der Familie gehandelt hatten, fürchterlich bestraft wurden. Ihnen sollten die magischen Fähigkeiten geraubt und außerdem sollten sie in fürchterliche Monster verwandelt werden. Möglicherweise war Moretti einer jener Dämonen, die aus der Familie verstoßen worden waren.
Ich blieb einige Schritte von ihm entfernt stehen. Aus der Nähe betrachtet, wirkte er noch häßlicher. Flüchtig blickte ich die vollbusigen Mädchen an. Ihre Gesichter waren völlig
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