078 - Das Drachennest
würde darin ein Hornissenschwarm nisten.
„Zieht Euch an, da Mosto!"
Ich gehorchte. Als ich fertig angekleidet war, befahl Malpasso, daß ich mich mit erhobenen Händen an die Wand stellen sollte. Er stand einige Schritte vor mir. Die Pistole zeigte auf meinen Bauch. „Das Mädchen soll sich ebenfalls anziehen!" befahl Malpasso.
Claudia schlüpfte rasch in ihre Bluse und den Rock, dann glitt sie in die Sandalen.
„Ihr beide kommt mit zu meinem Herrn", sagte Malpasso. „Mein Herr will Euch sehen. Ihr sollt Eure Heilmittel mitnehmen!“
„Weshalb diese Umstände?" fragte ich. „Ich wollte freiwillig zu...“
„Mundhalten!" zischte Malpasso. „Das Mädchen kommt als Geisel mit. Wenn es Euch nicht gelingt, meinen Herrn zu heilen, dann müßt ihr beide sterben."
Malpasso sagte zu den beiden Männern etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand. Sie banden Claudias Hände auf den Rücken, dann mußte ich meine Arzneien und mein medizinisches Besteck aus dem Schrank holen. Danach wurden auch meine Hände auf den Rücken gefesselt.
Malpasso verließ das Zimmer. Ich hörte, wie er mit Claudias Eltern sprach. Er drohte ihnen, daß Claudia getötet werden würde, wenn sie irgend jemandem etwas von den Vorfällen in ihrem Haus erzählen würden. Ich machte mir Sorgen um Franca.
Die beiden Männer, die übrigens wie Brüder von Malpasso aussahen, stießen Claudia und mich in den Gang. Ich wandte den Kopf - und da sah ich Franca. Er lag vor seiner Zimmertür. Neben ihm lag sein Degen. Sein Schädel war blutig. Er bewegte sich nicht.
Wut stieg in mir hoch. Ich knirschte mit den Zähnen. Da sah ich, wie Franca leicht den linken Zeigefinger hob. Ich ließ mir von meiner Erleichterung nichts anmerken. Er stellte sich tot. Das war gut.
Kein Mensch war auf der Straße. Claudia und ich wurden in eine große Kutsche verfrachtet, dann ging die Fahrt los. Ugo Malpasso saß uns gegenüber. Er verbot uns, miteinander zu sprechen. Claudia drängte sich zitternd an mich.
Der Wagen hielt einmal. Ich hörte Stimmen, dann das Knirschen eines Tores. Die Fahrt wurde fortgesetzt.
In der Kutsche war es dunkel, so daß man nichts sehen konnte. Nur gelegentlich blitzten Malpassos Augen auf.
Ich hatte mit meinem Dolch sein Herz getroffen, doch er war nicht gestorben; dazu kamen noch seine seltsamen Augen, seine ausgemergelte Gestalt und der eklige Geruch, der seiner Brust entströmte.
Er war ein Untoter; da gab es keinen Zweifel. Ich war schon öfters mit solch unheimlichen Gesellen zusammengekommen. Sie liebten das Feuer überhaupt nicht.
Wieder hielt die Kutsche und wir durften aussteigen. Wir befanden uns in einem riesigen Garten. Stufen führten zu einem breiten Tor hoch. Das Haus lag im Dunkeln. Die Fenster waren schwarz. Wir stiegen die Stufen hoch. Die Tür wurde aufgerissen, und wir betraten einen riesigen Saal, der nur von zwei schwach brennenden Kerzen notdürftig erhellt wurde. Eiskalte Hände stießen uns durch eine schmale Tür. Fauliger Geruch schlug uns entgegen. Nach wenigen Schritten konnte ich nichts mehr sehen. Undurchdringliche Dunkelheit hüllte uns ein. Zwei Männer gingen neben mir. Der faulige Geruch wurde mit jedem Schritt intensiver. Claudia hustete. Sie befand sich hinter mir. Dann sah ich einen schwachen Lichtschimmer, und irgendwo hörte ich eine Frau schreien. Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach. Es war heiß. Die faulige Luft ließ meinen Magen rebellieren. Mühsam unterdrückte ich den Brechreiz. Eine Tür wurde sichtbar. Dahinter lag ein großer Raum. Die Wände, der Boden und sogar die Decke waren mit Teppichen bedeckt. Kleine Tische und Polster waren die einzige Einrichtung. Von der Decke hingen schwere Eisenketten, die über Rollen liefen. Der Raum war mit einem riesigen giftgrünen Vorhang abgeteilt, auf den seltsame Symbole und ekelerregende Fratzen eingestickt waren.
Ugo Malpasso stellte meine Utensilien ab, dann rief er den beiden Männern Befehle in der mir unbekannten Sprache zu.
Die Männer packten Claudia. Brutal fetzten sie ihr Bluse und Rock vom Leib. Sie zerrten sie in die Mitte des Raumes. Einer stieß sie zu Boden und setzte seinen Fuß auf ihre Kehle.
Mein Puls hämmerte stärker. Die Augen kniff ich zu schmalen Schlitzen zusammen. Ich knirschte hörbar mit den Zähnen, was Ugo Malpasso ein höhnisches Lachen entlockte.
Die beiden unheimlichen, totenähnlichen Gestalten lösten Claudias Fesseln und zogen zwei der schweren Eisenketten von der Decke. Eiserne Spangen
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