078 - Küss’ niemals Choppers Geisterbraut
jedenfalls nicht. Das hat er absichtlich getan.«
»Und was sollte Ihrer Meinung nach der Grund für ein
solches Verhalten von Mister Wayer sein?«, fragte Higgins schnell. »Vielleicht
hat er etwas von meinen Initiativen bemerkt«, wisperte Emily Bybbs. »Nun will
er uns in sein Haus locken und umbringen. Wer weiß, wen er hier verbirgt und was
dieser Mensch für Anlagen hat.«
»Wir werden es bald wissen.« X-RAY-3 bat Higgins, in
der Nähe des Kellereingangs zu bleiben. »Ich sehe mich mal um. Wenn es jemanden
gibt, der Hilfe benötigt, werden wir das in wenigen Minuten wissen.« Er ging
durch die Tür und Emily Bybbs wollte sich ihm anschließen. Doch Edward Higgins
hielt sie am Ärmel fest. »Wir halten hier die Stellung«, meinte er freundlich.
»Es könnte sein, dass Mister Wayer unerwartet zurückkehrt.
Dann müssen wir vorbereitet sein.« Was Higgins noch mit
Emily Bybbs sprach, konnte Larry Brent schon nicht mehr hören. Er lehnte die
Tür ins Hausinnere leise an und stieg die nach oben führende Treppe hinauf. Der
breitgefächerte Lichtschein der Taschenlampe riss die Umgebung aus der
Anonymität der Dunkelheit. In einer Ecke zwischen Parterre und der ersten Etage
stand ein altes Karussellpferd. Die Wände waren überladen mit alten Gemälden
und vergilbten Fotografien, die in schwarzen Rahmen hingen, wie sie um die
Jahrhundertwende üblich waren.
Fast den ganzen Treppenaufgang zierten alte Plakate,
auf denen Reklame für Haarwuchsmittel, Kosmetika und für allerlei merkwürdige
Maschinen gemacht wurde, die sicher nie funktioniert hatten. Erfinder in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts boten die verrücktesten Sachen an. Die Nostalgie dieser alten
Plakate hatte ihre eigenen Reize, und Larry ertappte sich dabei, dass er
anfing, die Texte und ungewöhnlichen Motive zu studieren. Es waren auch
Zirkusplakate darunter. Szenen mit wilden Tieren und Darstellungen exotischer
Frauen und Zauberkunststücke standen dabei im Vordergrund. An der Decke hing
ein Netz, in dem Muscheln, Fische und ein riesiger Hummer gefangen war. Der
Treppenaufgang des Hauses machte schon einen seltsamen, bedrückenden Eindruck
auf Larry Brent.
Wayer musste von einer wahren Sammlerleidenschaft
befallen sein. Alles, was er in vielen Jahren entdeckte und zusammentrug, hatte
er hier in sein Haus gebracht. X-RAY-3 kam an einer Ritterrüstung vorbei, an
einem aufrecht stehenden Grizzly, der den Flur zur zweiten Etage zu bewachen
schien. Das mächtige Tier stand ihm mitten im Weg, und seine Glasaugen
funkelten kalt im Lichtstrahl. Der Amerikaner musste sich an dem Pelztier
förmlich vorbeizwängen. In der Parterrewohnung gab es eine kleine Küche, einen
Wohn- und Schlafraum, die ebenfalls mit Möbeln und allerlei Krimskrams
überladen waren. In zwei Kammern standen Kästen übereinander gestapelt, die mit
Aufschriften versehen waren. Larry ging nach oben.
Er bewegte sich so vorsichtig und leise wie möglich,
konnte aber nicht verhindern, dass die Stiege unter seinen Schritten ächzte.
Das Holz war morsch, und am Geländer wagte er sich nicht festzuhalten, weil er
befürchtete, der ganze Aufbau würde nach außen kippen, wenn er sich stützte.
Larry lauschte ins Halbdunkel, das sich rings um ihn ausbreitete. Dann war er
in der ersten Etage. Hinter einem Fenster hatte er das bleiche, erschreckte
Gesicht eines Menschen gesehen. Ob Mann oder Frau wusste er nicht...
Auf der obersten Treppe verhielt er in der Bewegung.
Er hörte ein Geräusch. Leise, schlurfend. Wie Schritte... Aber sie kamen nicht
von oben. Sie waren hinterihm!
Larry wirbelte herum. Er glaubte, seinen Augen nicht
trauen zu dürfen. Der ausgestopfte, fast zwei Meter große Grizzly bewegte sich
und stapfte nach oben auf ihn zu!
●
Sie war übermüdet und niedergeschlagen, doch konnte
sie keinen Schlaf finden. Unruhig wälzte sich Sonja Scharner in ihrem Bett. Ihr
Mann schien mit dem Schlaf keine Schwierigkeiten zu haben. Willi Scharner
atmete tief und ruhig. Die Frau seufzte. Das Tagesgeschehen passierte noch mal
Revue vor ihrem geistigen Auge. Sie durchlebte zum zweitem Mal die Unruhe und
Angst des Tages, ihre Wut und den Zorn, und die Verwirrung der letzten Stunden,
die ihr vorkamen wie ein Alptraum. Sonja Scharner seufzte. War vielleicht alles
nur ein böser Traum gewesen? Zu unwirklich schien ihr alles. Seit Wochen war
sie davon überzeugt, dass ihr Mann sie betrog. Sie kannte das Hotel und die
Frau, mit der er sich getroffen hatte. Aber
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