078 - Küss’ niemals Choppers Geisterbraut
Edward Higgins und ein alter Mann, den
er nicht kannte. Aber Larry Brent hatte sofort eine Vermutung. Der Dritte im
Bunde war William Wayer, der Besitzer des unheimlichen Hauses.
●
Andreas Scharner rannte, so schnell ihn seine Beine
trugen. Er sah seine Mutter weiter vorn laufen. In ihrem hellen Nachthemd war
sie nicht zu übersehen. Sie bog um eine
Straßenecke und entschwand seinen Blicken. Der Junge verdoppelte seine
Anstrengungen. Er wusste, dass dort drüben mehrere Seitenstraßen abzweigten.
Wenn er nicht rechtzeitig sah, wohin seine Mutter lief, wurde jede weitere
Verfolgung zum reinen Glücksspiel. Mit weit ausholenden Schritten überquerte er
die Straße. Der Boden unter seinen Füßen war kalt, aber er achtete nicht
darauf.
Das Haar fiel wirr in seine Stirn, sein Herz pochte
wie rasend, und er war in Schweiß gebadet. Der Junge mit dem dunkelblonden Haar
und dem weichen Flaum über der Oberlippe verzerrte sein Gesicht vor
Anstrengung. Er erreichte die Straßenecke und sah gerade noch, wie ein Zipfel
des hellen Nachthemdes seiner Mutter um die Ecke der zweiten Seitenstraße
verschwand. Noch zehn Schritte, und er war auch dort. Die Gasse war sehr
schmal. Die Häuser standen dicht gedrängt. In der Gasse gab es noch einige
Handwerksbetriebe und kleine Geschäfte. Auch einen sogenannten
Tante-Emma-Laden. Davor stand Sonja Scharner. Sie blickte durch die
Schaufensterscheibe, über der eine Beleuchtung brannte. Die Frau wandte ihrem
Sohn den Rücken zu. Außer Atem kam Andreas näher.
»Mutter«, sagte er leise. »Komm mit nach Hause... was
ist denn nur los? Warum bist du vor mir davongelaufen?« Sonja Scharner
betrachtete sich intensiv in der Schaufensterscheibe und schien die Worte ihres
Sohnes überhaupt nicht zu hören. »Mutter... komm... mit mir nach Hause...«
Er fasste sie vorsichtig am Arm. Da wandte sie den
Kopf. Andreas Scharner glaubte, der Boden unter seinen Füßen würde sich öffnen.
»Ab... er... Mutter...« stammelte der Junge. Er wurde blass, und seine Stimme
versagte ihm den Dienst. Sonja Scharners Aussehen hatte sich verändert. Ihre
linke Gesichtshälfte war von einem schrecklichen Ausschlag befallen. Die Haut
wirkte schwammig, grau-weiß und war geschwürig. Unterhalb des Jochbogens und
neben der Lippe waren daumennagelgroße Löcher in der Haut. Andreas Scharner
wich zurück. »Mut...ter?« Was... ist los... mit dir?«
»Geh!«, fauchte die Stimme da.
Aber es war nicht Sonja Scharners Stimme, die aus ihrem Mund kam. Es war die knarrende,
fauchende Stimme Choppers! Jene Stimme, die am
Abend aus dem Telefonhörer, den Steckdosen und dem Ausguss im Waschbecken des
Badezimmers getönt hatte. »Geh nach Hause! Du hast hier nichts verloren...
Deine Mutter gibt es nicht mehr, wie es deinen Vater nicht mehr gibt... Lauf,
so schnell dich deine Beine tragen... oder ich werde es sein, der hinter dir
herrennt.«
Die Hände der Frau, die mit fremder Stimme sprach,
streckten sich nach ihm aus. Andreas glaubte einen Kloß im Hals zu haben. Der
Junge warf sich herum und lief los. Kein einziges Mal drehte er sich um. Er
wusste nicht mehr, ob er alles erlebte oder träumte, und was er von der
schrecklichen Szene halten sollte. Angst, Verwirrung und Schmerz trieben ihm
die Tränen in die Augen, und er schämte sich nicht, als sie ihm über die Wangen
rollten und er haltlos zu weinen begann.
●
»Ooch!« Mee, die den Kopf des Grizzlys unter den Arm
geklemmt hatte, sah enttäuscht aus. Sie ließ wütend den Schädel los und kam die
beiden Sprossen, die sie mühselig nach oben geklettert war, herunter. Wütend
stampfte sie mit dem Fuß auf.
»Du bist ein Spielverderber, Billy!«, beschwerte sich
die komische Alte. »Du hast mir den ganzen Spaß vermiest...« Ihre Stimme klang
weinerlich, und um ihre Lippen begann es verräterisch zu zucken. »Nicht traurig
sein, Mee!«, sagte der Mann der unten am Fuß der Treppe stand und den Larry für
William Wayer hielt. »Heute ging’s leider nicht. Ich habe mir den Abend mit dir
auch anders vorgestellt, weißt du...«
Er sprach freundlich und ruhig und kam ohne
übertriebene Hast die Treppe hoch. Emily Bybbs und Edward Higgins blieben
abwartend unten stehen. William Wayer, schätzungsweise um die Siebzig, war noch
eine stattliche Erscheinung. Er ging leicht nach vorn gebeugt, aber sein
Schritt war elastisch und jugendlich. Seine Haut war noch straff, die Augen
leuchtend und lebhaft. Nichts an diesem Mann war besonders auffällig, und
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