0780 - Die Testwelt
aber gelang es ihm, einen der beiden Feyerdaler am Handgelenk zu packen.
Er riß ihn mit einem Ruck herum und setzte einen Dagorgriff an.
Der Feyerdaler schrie dumpf auf, wirbelte herum und überschlug sich, wobei er dem anderen ungewollt die Beine in den Leib stieß. Damit brachte er diesen zwar nichf zu Fall, bremste seinen Ansturm jedoch entscheidend ab.
Rhodan nutzte die winzige Chance, die sich ihm bot. Er fintierte mit dem linken Fuß und stieß dem Feyerdaler die Finger der rechten Hand energisch gegen die Halsschlagader, die er deutlich erkennen konnte.
Der Trick gelang. Der Blutstrom zum Gehirn stockte, und die schwarze Gestalt sackte zu Boden. Inzwischen griff der andere Feyerdaler jedoch schon wieder an. Doch er kam gar nicht an Rhodan heran.
Gucky materialisierte unmittelbar neben Joftblahn. Er hob den Mann, der sich auf Rhodan werfen wollte an, und ließ ihn in hohem Bogen über den Terraner hinwegfliegen. Der Feyerdaler ruderte mit beiden Armen, um seinen Flug zu stabilisieren, doch das half ihm wenig.
Der Ilt zwang ihn zu einem doppelten Salto in der Luft, ließ ihn auf etwa fünf Meter Höhe ansteigen und gab ihn dann frei.
Sekundenbruchteile später entmaterialisierte er und kehrte in das Mittelteil der SOL zurück. Der Feyerdaler stürzte krachend auf den Boden und blieb bewußtlos liegen.
Rhodan atmete einmal tief durch, rückte sich seine Blusenjacke zurecht und ging auf den Regelbewahrer zu. Unmittelbar vor ihm blieb er stehen. Er blickte ihn durchdringend an.
„Haben Sie noch weitere Überraschungen dieser Art für mich, Feinsprecher?" fragte er scharf. „Von Hommersolth und Kordahl weiß ich, daß Ihnen der Begriff der Gastfreundschaft nicht unbekannt ist. Nehmen Sie also zur Kenntnis, daß ich auf derartige Freundschaftsbeweise verzichte."
„Sie verstehen nicht, Rhodan", antwortete Joftblahn ruhig.
Er drehte sich um, wartete, bis die affenähnlichen Tiere mit den Umhangzipfeln um ihn herumgelaufen waren, und ging den Hügel hinab.
„So nicht", sagte Rhodan. „Bleiben Sie, Regelbewahrer."
Joftblahn blieb stehen. Einige Sekunden verstrichen, dann streifte er sich den Umhang ab und kehrte zu Rhodan zurück.
Zum erstenmal sah er ihn wirklich an.
„Sie wollen es tatsächlich versuchen?" fragte er überrascht.
„Aus diesem Grund bin ich hier."
„Nun gut, Terraner. Ich bin Joftblahn, Regelbewahrer von Caljoohl und oberster Feinsprecher dieser Welt. Sprechen Sie mich mit Korrektheit an, das entspricht den Vorschriften. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß ich darüber entscheide, wer den Test besteht und nach Pröhndome darf."
Rhodan fragte sich, was Zeremonie und Höflichkeitsgebaren auf dieser Welt wirklich zu bedeuten hatte. Waren sie nichts als Imponiergehabe? Oder waren sie Unterwürfigkeitsausdruck und Respektsbezeichnung?
„Sind Sie mir nicht noch eine Erklärung schuldig?"
„Nein."
„Sie wollen mir nicht sagen, was es zu bedeuten hat, daß diese beiden Männer mich angegriffen haben? Gehört das auch zu Ihren Regeln, die Sie zu bewahren haben?"
„Es gilt als unhöflich bei uns, allzu viele Fragen zu stellen", erwiderte Joftblahn. „Wer zuviel fragt, beweist damit nur, daß er nicht fähig ist, eigenständig zu denken."
„Danke für das Kompliment", entgegnete Rhodan sarkastisch.
„Es war nichts als eine Feststellung", sagte Joftblahn kühl und ohne äußerliche Regung. Nur die Lippen bewegten sich an ihm.
Er hatte gelbe Zähne, die so scharf und spitz aussahen, als seien sie geschliffen.
Joftblahn hob die Hände.
„Erlauben Sie mir eine Frage", sagte er.
„Bitte."
„Sie sehen einen Mann unter einem Baum sitzen. An seiner Haltung erkennen Sie, daß er sich im Zwiegespräch mit seinem Gott befindet. Sie sehen, daß der Baum im nächsten Moment umkippen und ihn erschlagen wird. Was werden Sie tun?"
„Ich werde selbstverständlich versuchen, den Mann zu retten", erwiderte Rhodan, ohne lange nachzudenken.
„Wie?"
„Da ich den Baum wahrscheinlich nicht aufhalten kann, muß ich den Mann zur Seite ziehen."
„Sie würden ihn stören?"
„Was bliebe mir übrig?"
„Das wäre unhöflich."
„Ich würde sagen, wenn ich nichts tue, daß ich dann meiner Pflicht, ihm zu helfen, nicht nachkomme."
„Es wäre unhöflich, ihn in seinem Gespräch mit seinem Gott zu stören."
„Wenn ich es nicht tue, muß er sterben."
„Könnte das nicht eine Antwort seines Gottes sein auf die Fragen, die er ihm gestellt hat?"
Rhodan schwieg. Was hätte er auf diese Worte
Weitere Kostenlose Bücher