0782 - Die Bucht der blauen Geier
handelte sich um seidenweiche Unterwäsche, die mir allerdings etwas zu weit war. Darüber zog ich einen Umhang, der dem von Sathogenos glich, aber nicht mit kabbalistischen Symbolen geschmückt war. Er reichte mir nur bis zu den Knien und war mir an den Schultern viel zu weit, aber lange wollte ich dieses Kleidungsstück sowieso nicht tragen.
Inzwischen war die halbe Stunde vergangen. Ich kehrte auf den Korridor zurück. Asuah Gemroth wartete bereits. Er war genauso bekleidet wie ich und grinste bei meinem Anblick.
„Wissen Sie, wie Sie aussehen, Perry?" erkundigte er sich vergnügt.
„Nicht viel anders als Sie, Asuah", gab ich schmunzelnd zurück.
„Nämlich wie ein Storch im Salat."
„Ein Storch?" fragte Asuah verwundert.
Ich zog ein Bein an und ahmte mit den weiten Ärmeln Flügelbewegungen nach.
„Ein terranischer Großvogel", erklärte ich dabei. „Früher brachte er den Menschen die Kinder."
Asuahs Augen weiteten sich.
„Tatsächlich?" entfuhr es ihm.
Hinter mir lachten zwei Personen. Als ich mich umwandte, sah ich Cesynthra und Honth, die ähnlich gekleidet waren wie wir.
Sie stellten ihr Gelächter ein, und Cesynthra sagte: „Solltest du diesen Unsinn wirklich geglaubt haben, Asuah?
Dann tust du mir leid."
Asuah schüttelte den Kopf.
„Wie Kinder entstehen, weiß ich", meinte er gutmütig. „Aber es hätte ja sein können, daß auf Terra diese Vögel zu symbolischen Handlungen abgerichtet wurden. Schließlich ist uns allen klar, daß planetarisch gebundene Intelligenzen zu allem möglichen ritualen Hokuspokus neigen."
Mir lag schon eine heftige Entgegnung auf der Zunge, aber ich schluckte sie wieder herunter, denn ich erkannte, daß Asuah recht hatte. Erlebten wir nicht gerade auf Pröhndome, in wie starkem Maße das Leben planetengebundener Intelligenzen durch leere Rituale geprägt wurde? Und hatten wir so etwas - wenn auch meist in milderer Form - nicht schon auf vielen Planeten beobachtet?
Ich entschloß mich, das Thema zu wechseln, nahm mein Bein wieder herunter und sagte: „Die halbe Stunde ist längst um. Ich möchte nur wissen, wo die anderen bleiben."
„Soll ich nachsehen?" fragte Asuah.
„Sei kein Unmensch", erklärte Cesynthra. „Sie werden schon kommen."
Ich runzelte ärgerlich die Stirn.
„Immerhin sind sie nicht auf einer Hochzeitsreise. Wir haben Wichtigeres zu tun, als zu turteln."
„Verliebte kennen nichts Wichtigeres!" klärte Cesynthra mich auf. „Sie sind doch bestimmt auch kein Heiliger, Perry. Wenn man dem Bordklatsch glauben kann, dann ..."
Das Erscheinen der übrigen vier Personen rette mich vor indiskreten, wenn auch zweifellos übertriebenen Enthüllungen meines Privatlebens.
„Es wurde auch Zeit!" rügte ich. Ich wollte noch mehr sagen, aber als ich in die glänzenden Augen Amjas sah, schwand mein Ärger dahin. Schließlich wußte ich aus Erfahrung, wie wertvoll eine große Liebe ist.
„Gehen wir zu Sathogenos!" sagte ich.
*
Der Regelerschaffer stand noch dort, wo wir ihn verlassen hatten, aber er war nicht mehr allein. Neben ihm stand ein anderer, genauso gekleideter Feyerdaler. Ich tippte sofort darauf, daß es sich um Rezalsrohn handelte.
Um einer umständlichen formalen Begrüßung zu entgehen, sagte ich: „Wenn Sie Rezalsrohn sind, dann hat Ihr Kollege Ihnen sicher schon erklärt, daß wir keine Feinsprecher sind und uns mit Ihren Förmlichkeiten nicht auskennen.
Lassen Sie uns also bitte auf alle Nebensächlichkeiten verzichten und gleich zur Sache kommen."
Der Feinsprecher, den ich für Rezalsrohn hielt, krümmte sich innerlich. Meine direkte Art mußte ihn schwer getroffen haben, doch darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen. Sathogenos dagegen schien sich bereits an unseren Umgangston gewohnt zu haben.
Ich hatte sogar für einen Moment den Eindruck, daß er seinen Kollegen schadenfroh von der Seite ansah.
„Ich wette, Sathogenos hat seinen Kollegen nicht über uns aufgeklärt, um ihn in den Genuß eines psychischen Schocks kommen zu lassen", flüsterte Cesynthra neben mir.
Ich nickte.
„Das würde bedeuten, daß die beiden sich nicht riechen können", gab ich ebenso leise zurück. „Wahrscheinlich sind sie insgeheim erbitterte Konkurrenten beim Buhlen um die Gunst des Kontaktzentrums."
Aber sie vermieden es, das offen zu zeigen, wie mir Sathognos' Reaktion gleich darauf verriet. Der Feinsprecher wandte sich an seinen Kollegen und sagte: „Es tut mir außerordentlich leid, daß die Besucher Sie nicht
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