0785 - Angriff der Wölfischen
sich Kuang-shi etwa auf vier Meter genähert hatten, warfen sie sich vor dem Götterdämon auf die Knie und pressten die Stirn gegen den Betonboden.
»Jack von den Tulis-Yon verneigt sich vor Eurer Macht, Herr«, sprach O’Neill die traditionellen Worte. »Möge der weiße Mond ewig über Eurem Haupt leuchten. Ich erwarte Eure Befehle, Herr.«
Doch Kuang-shi schwieg. Nach einer angemessenen Zeit des Verharrens standen O’Neills Begleiter wie auf einen geheimen Befehl wieder auf. Dem Götterdämon das Gesicht zugewandt, zogen sie sich lautlos zurück.
Und dann war O’Neill allein mit Kuang-shi, dem Sohn des Wolfes.
Der Detective verharrte in seiner Position. Es machte ihm nicht das Geringste aus zu warten, bis sein Herr ihn ansprach. Allein Kuang-shis Nähe zu spüren, war das Erfüllendste, was er sich vorstellen konnte.
Minuten vergingen, dann brach der Götterdämon das Schweigen. Er bewegte die Lippen nicht, aber der Tulis-Yon hörte die Worte so deutlich, als habe Kuang-shi sie ausgesprochen.
»Du hast meinen Auftrag ausgeführt, Jack von den Tulis-Yon?«
Es war eine rhetorische Frage. Dank seiner telepathischen Kontrolle über seinen Diener wusste der Vampirherrscher längst, dass O’Neill Zamorra angerufen hatte, um ihm eine Falle zu stellen. Und dèr Parapsychologe war hineingetappt wie ein Anfänger.
»Ja, Herr, das habe ich. Er ist auf dem Weg hierher.«
»Sehr gut.« Die Fratze des Götterdämons verzog sich zu einem Lächeln. »Tsa Mo Ra. Es ist so lange her. Ich kann es kaum erwarten, dich wieder zu sehen, alter Freund.«
Tsa Mo Ra? Alter Freund? O’Neill war verwirrt. Was hatte das zu bedeuten? Waren sich Kuang-shi und der Dämonenjäger schon einmal begegnet? Und wie hatte Zamorra dieses Treffen überleben können? Und vor allem, wieso bezeichnete Kuang-shi den Parapsychologen als seinen Freund ?
»Herr?«
»Du wirst es verstehen. Später. Jetzt musst du nicht mehr darüber wissen.«
»Natürlich nicht, Herr. Was soll ich als Nächstes tun?«
»Wenn Tsa Mo Ra kommt, bringst du ihn in die San Bernardino Mountains. Dorthin, wo deine Brüder gesehen wurden, nach Three Oaks.«
»Und dann werde ich ihn töten?«
»Nein, das wirst du nicht«, sagte der Götterdämon, und sein Lachen klang fast nachsichtig. »Tsa Mo Ra ist viel zu wertvoll für uns. Wenn Choquai zu neuem Leben erwacht, wird er wieder an meiner Seite dienen, als mein Hofzauberer und als mein Freund.«
O’Neill verstand immer weniger. Aber Kuang-shis Worte erfüllten ihn mit Freude. Einst war Zamorra auch sein Freund gewesen. Und vielleicht würde er es bald wieder sein, in der wieder erstandenen goldenen Stadt der Vampire. Doch eine Frage brannte ihm auf der Seele.
»Was ist, wenn er meine wahre Identität erkennt?«
»Das wird er nicht. Seine magische Waffe, die Silberscheibe, reagiert nicht auf das Volk der Tulis-Yon. Außerdem werde ich deine Aura abschirmen, sodass niemand deine wahre Identität erkennt. Sobald ihr am Ziel seid, bringst du Tsa Mo Ra in die Berge, Jack. Wenn ihr weit genug von der Stadt entfernt seid, ziehst du dich zurück. Du wirst wissen, wann es so weit ist. Dann übernimmt ein anderer.«
»Ein anderer? Darf ich fragen, wer das sein wird, Herr?«
»Du darfst, Jack von den Tulis-Yon. Es ist jemand, der sich sehr darauf freut, Tsa Mo Ra wieder zu sehen.«
Kuang-shi machte eine fast unmerkliche Geste, und aus dem undurchdringlichen Dunkel hinter seinem Thron trat eine Kreatur hervor, wie O’Neill sie noch nie gesehen hatte. Das Wesen war weder Vampir noch Tulis-Yon. Bis zum Hals glich es einem normalen Menschen. Doch auf dem Rumpf thronte ein Paviankopf! Die groteske Gestalt verströmte eine Autorität, die O’Neill schaudern ließ. Dieses seltsame Wesen war kein einfacher Diener. Es musste in Kuang-shis Welt sehr weit oben stehen.
»Ehre einen meiner ältesten Vertrauten. Sein Namen ist Wu Huan-Tiao.«
***
Nachdem die anderen den Raum verlassen hatten, schaute Fu Long auf und begegnete Steiners Blick. Er erinnerte sich, wie der Deutsche vor einem Jahr auf der Ranch aufgetaucht war und darum gebeten - nein verlangt - hatte, sich dem Kampf gegen Kuang-shi anschließen zu dürfen. Fu Long hatte ihm anfangs misstraut. Doch dann war er auf Wunsch des Deutschen in dessen Gedanken eingedrungen. Das hatte alle Zweifel beseitigt. In Steiner loderte der Hass auf Kuang-shi greller als die Mittagssonne, und er würde alles tun, um den Götterdämon zu vernichten. »Hier!«, wurden Fu Longs Gedanken von
Weitere Kostenlose Bücher