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0786 - Ort ohne Wiederkehr

0786 - Ort ohne Wiederkehr

Titel: 0786 - Ort ohne Wiederkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
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zurückzuverlangen? Und wenn er das tat, wie wollte er seinen Anspruch durchsetzen - und wie würde der Rest der Schwarzen Familie darauf reagieren? Stygia wusste, dass sie nicht wohlgelitten war und viele der Ära des Asmodis immer noch nachtrauerten. Würde man da nicht mit Freuden eine Möglichkeit suchen, um sie des Amtes zu entheben und ihn wieder zu inthronisieren?
    Stygias Finger krallten sich so fest um die Enden der Armlehnen, dass die dort zur Zierde angebrachten Knochenschädel knackten.
    Gemach, gemach!, mahnte Stygia sich zur Ruhe und lockerte den Griff um die Totenköpfe, ehe sie ganz zersplittern konnten. Noch war es nicht so weit, noch war auch diese Befürchtung nur ein Gedanke, der meilenweit neben der Wahrheit liegen mochte. Und noch immer blieb ihr nur eines zu tun, um ihre Besorgnis zu zerstreuen und sich Gewissheit zu verschaffen — »Hübsch, wirklich«, drängte sich Asmodis’ Stimme in ihre Überlegungen. Er sah sich ein weiteres Mal in der Runde um und nickte mit genüsslichem Lächeln. »Immer noch sehr hübsch und gemütlich hier. Und so vertraut, als hätte ich erst gestern mein Bündel gepackt.«
    »Fühl dich nur nicht zu heimisch«, rutschte es Stygia wider Willen heraus, und Asmodis quittierte ihre offenbar bewusst provozierte Reaktion mit einem süffisanten Grinsen.
    »Oh, ist es das, wovor du Angst hast?«, fragte er mit unverhohlenem Spott.
    »Angst? Ich? Mach dich nicht lächerlich, du Abtrünniger -«
    »Gib dir keine Mühe, meine Liebe. Ich kann sie riechen, deine Angst, wie Katzenpisse.«
    »Katzenpisse, ja? Kennst du diesen Gestank etwa aus den Löchern, in die du dich auf der Erde verkriechen musst?«, versuchte Stygia ihn nun ihrerseits zu treffen. Aber ihre Spitze ging ins Leere. Asmodis winkte nur ab.
    »Ich bin nicht gekommen, um mich mit dir zu streiten oder festzustellen, wer wen am tiefsten kränken kann«, sagte er.
    »Sondern?«, fragte sie, um einen desinteressierten Ton bemüht.
    »Du bist die Fürstin der Finsternis -«, begann Asmodis, doch sie unterbrach ihn.
    »So wenig Wert ich auf deinen Hohn lege, so wenig empfänglich bin ich für Schmeicheleien und falsche Respektsbezeugungen. Ich weiß, dass du mich gering schätzt -«
    »Oh, das ist noch untertrieben«, fiel er ihr ins Wort, »und damit stehe ich nicht allein auf weiter Flur, im Gegenteil, in dieser Fraktion herrscht ein elendes Gedränge.«
    »Komm zur Sache«, forderte Stygia. Ihr Unbehagen wich zunehmender Ungeduld.
    »Gut.« Asmodis nickte knapp. »Ich bin hier, weil ich zu einem Entschluss gekommen bin.«
    »Und der wäre?« Das Unbehagen schlich sich wie ein Dieb zurück in ihr Innerstes.
    »Ich habe mich entschlossen, mein Schweigen zu brechen«, erklärte der Ex-Teufel.
    »Dein Schweigen zu brechen…?«, echote Stygia. Eine Ahnung keimte in ihr, wuchs im Zeitraffertempo zu etwas heran, das unmöglich sein konnte. Oder etwa doch? Wovon sonst sollte Asmodis reden, wenn nicht von…
    »Ich weiß«, ergriff er wieder das Wort und setzte an, Stygias Verdacht zu bestätigen, den sie selbst für ungeheuerlich hielt, »dass die Schwarze Familie sich danach verzehrt zu wissen, was damals geschah - hinter der Flammenwand…«
    »Als du zur Audienz bei LUZIFER warst…?«
    »So ist es. Ich habe nie darüber gesprochen, mit niemandem, weder Dämon noch Mensch.«
    »Und jetzt -« Stygia stockte, brachte einfach nicht über die Lippen, was ihr auf der Zunge lag.
    Asmodis nickte abermals. »Jetzt bin ich gekommen, um dieses Geheimnis zu offenbaren.«
    Stygia fröstelte auf einmal, trotz der Gluthitze der Fegefeuer, und die Schreie der Verdammten darin schienen für den Moment noch lauter zu werden, ohrenbetäubend und anders - als könnten auch sie nicht fassen, was sich hier anbahnte…
    ***
    Was führt er im Schilde?, fragte sich Stygia, als sie den Schock der Überraschung zumindest ansatzweise verdaut hatte.
    Sie hielt es für ausgeschlossen, dass Asmodis sein lang gehütetes Geheimnis nur deshalb lüftete, weil jedermann in der Hölle wissen wollte, was LUZIFER damals mit ihm hinter der undurchdringlichen Flammenwand besprochen hatte. Nein, er musste andere Gründe haben. Gründe, die seinen ganz eigenen Zwecken, seinem Vorteil dienten. Denn mochte er das Amt des Höllenfürsten auch schon vor langer Zeit aufgegeben und die Schwefelklüfte verlassen haben, so war er doch immer noch ein Dämon. Und es war schlicht undenkbar, dass ein Dämon, noch dazu einer vom Kaliber eines Asmodis etwas tat, ohne sich

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