0786 - Ort ohne Wiederkehr
einen Nutzen davon zu versprechen.
Es sei denn…
Stygias Gedankenfluss geriet kurz ins Stocken.
... es sei denn, es war etwas dran an dem, was man seitdem munkelte und längst nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand - dass Asmodis sich nämlich veränderte, und zwar in ganz gravierender Form.
Dass er vom Dämon zum Menschen mutierte!
Diese Vermutung hegte man in der Schwarzen Familie praktisch seit dem Tag, da Asmodis die sieben Kreise der Hölle hinter sich gelassen hatte. Denn dieser Tag war in die Übergangsphase des jüngsten Äonenwechsels gefallen. Das zweitausendjährige Äon der Fische war zu Ende gegangen, das des Wassermanns hatte begonnen. Und es hieß, dass beim Äonenwechsel Dämonen zu Menschen wurden und umgekehrt. Es mochte sein, dass dieser Wandel sich schleichend vollzog, nicht von einer Stunde zur anderen, sondern über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Und im Falle des Asmodis konnte diese Veränderung nun den Punkt erreicht haben, an dem er endgültig mehr Mensch als Dämon war und entsprechend handelte.
Kaum hatte Stygia diesen hypothetischen Schluss gezogen, musste sie an sich halten, um nicht triumphierend zu grinsen. Ihre Gedanken begannen sich zu verselbstständigen, suchten nach Möglichkeiten, diesen Wandel des Asmodis zu ihren Gunsten auszunutzen. Doch sie riss sich zusammen.
Denn noch war das alles nur eine Vermutung.
Stygia aber wollte Gewissheit!
Und so fragte sie Asmodis rundheraus: »Was hat dich bewogen, dieses Geheimnis gerade jetzt zu lüften, nach all den Jahren?«
»Weil ich den Zeitpunkt für gekommen halte«, antwortete Asmodis. »Mir ist das Gerücht zu Ohren gelangt, das Astardis kurz vor seinem Tod in die Hölle gesetzt hat - ob nun mit irgendeiner Absicht oder nicht, sei dahingestellt…«
»Du meinst die ketzerische Rede, die er mir gegenüber führte?«, warf Stygia ein. »Dass es LUZIFER vielleicht schon lange nicht mehr gäbe oder nie gegeben habe?«
Asmodis nickte und zeigte ein kleines böses Lächeln. »Eben diese Worte, ja. Mit denen er in den sieben Kreisen der Hölle Unruhe und Zweifel herauf beschwor.«
Stygia winkte ab. »Diese Unruhen und Zweifel haben sich inzwischen wieder gelegt, so weit ich weiß.«
»Wenn du das glaubst, bist du schlechter informiert als ich«, behauptete Asmodis und konnte sich nicht verkneifen hinzuzufügen: »Was ja durchaus bezeichnend für dich ist…«
Stygia überging diesen neuerlichen Seitenhieb und fragte etwas ungläubig: »Und deshalb hast du dich entschlossen, dein Schweigen zu brechen? Aufgrund eines Gerüchts, das ein mittlerweile toter Dämon in Umlauf gebracht hat?«
Asmodis hob einhaltend die Hand. »In Umlauf gebracht hast nicht zuletzt du es, wenn ich mich nicht irre. Astardis hat es nur dir gegenüber erwähnt. Du aber hast es hinausposaunt, du törichte Närrin.«
Stygia ignorierte auch diese Beleidigung. »Ich verstehe den Zusammenhang nicht ganz.«
»Natürlich verstehst du das nicht«, sagte Asmodis. »Das hätte mich auch sehr gewundert.«
»Wenn du so wenig von mir hältst, warum bist du dann ausgerechnet zu mir gekommen, um dein großes Geheimnis auszuplaudern? Warum hast du nicht einen deiner alten Spießgesellen aufgesucht?«, wollte Stygia in nun doch gereiztem Ton wissen.
»Wie ich vorhin schon sagen wollte, halte ich zwar nichts von dir persönlich, aber ich respektiere das Amt des Fürsten der Finsternis. Und der Fürst ist es, der als Erster erfahren sollte, was ich zú sagen habe«, erklärte Asmodis. »Abgesehen davon kann ich mich in den höllischen Gefilden längst nicht mehr so frei bewegen wie einst und muss bisweilen die offiziellen Wege beschreiten. Und eine Audienz bei dir schien mir in diesem Fall der gangbarste.«
»Wäre nicht Satans Ministerpräsident die erste Adresse, um ein Geheimnis wie deines offen zu legen?«, wunderte sich Stygia.
»Machst du Witze?« Asmodis lachte kurz auf. »Hätte ein würdiger Dämon dieses Amt inne, dann ja, aber Rico Calderone? Ein Mensch, der gerade erst zum Dämon geworden und unter höchst fragwürdigen Umständen auf dem Thron des Herrn der Hölle gelandet ist? Dieser Kretin wüsste doch nicht einmal, wovon ich spreche…«
Dazu verkniff Stygia sich jeglichen Kommentar. Natürlich stimmte es, dass Rico Calderone, der erst unlängst die Nachfolge des Astardis als Satans Ministerpräsident angetreten hatte, unter sehr unkonventionellen Umständen an sein Amt gelangt und dementsprechender Kritik seitens der Schwarzen Familie ausgesetzt war.
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