0787 - Das Medium
plastisch an Aninas Worte erinnert, als sie von den Geistern der Toten gesprochen hatte, die sie quälten.
Woher kamen die Stimmen?
Sie waren plötzlich da, und sie wehten mir nicht nur entgegen, sondern trafen mich von allen Seiten. Ich hörte sie vor, hinter und über mir. Ich war umwebt von ihrem Wispern, Flüstern und den gequälten Lauten, die sich immer mehr verstärkten, je näher ich dem Krater kam, als würden sich dort die Toten aufhalten.
Steckten sie tatsächlich in der Tiefe, weil sie dort ein Sammelbecken für geknechtete Seelen gefunden hatten? Es war alles möglich, und ich rechnete auch damit, dass diese Stimmen etwas mit dem Auftauchen der Frau zu tun gehabt hatten.
Sie drehte mir den Rücken zu und schaute nach wie vor in den Krater. Abel ich hörte sie sprechen. Abgehackte Worte drangen aus ihrem Mund, nie vollständige Sätze, sondern Fragmente. Ich versuchte, meine Schrittgeräusche so leise wie möglich werden zu lassen und mich allein auf die Worte zu konzentrieren.
»Nichts dafür… den anderen … er will mich … er will mich wieder zurückhaben … er sucht mich … er hat mich erpresst … er … er will das Unglück … nur er hat es gewollt …«
Sie verstummte in dem Augenblick, als ich neben ihr stehenblieb.
Allerdings drehte sie nicht den Kopf, um mich anzuschauen. Sie stand da und schwankte auf der Stelle. Schweiß floss von ihrer Stirn her über das Gesicht. Zudem bewegte sie hektisch ihre Augen. Ich bekam Angst um sie und fürchtete, dass sie in den Krater fallen konnte, deshalb hielt ich sie fest, was Anina auch widerstandslos geschehen ließ. Sie presste sich sogar leicht an mich, als wäre ich ihr Schutzengel, »Es ist nichts passiert«, sagte ich leise, »es ist noch gar nichts passiert.«
Sie antwortete mir nicht. Darüber war ich irgendwo froh, denn so erhielt ich die Gelegenheit, endlich in einer gewissen Ruhe und Entspannung in den Krater schauen zu können.
Es war kein Krater, der unten zu einem Trichter zusammenlief.
Der Bug des Flugzeugs war zwar schräg in den Boden hineingerammt, aber er hatte dort ein anderes Loch hinterlassen, denn diese Schräge hatte sich auch innerhalb der Erde weiter ausgebildet.
Von meiner Stelle aus lief sie nach links weg, als hätte jemand mit einem gewaltigen Schwert schräg in den Boden hineingeschnitten.
Für meinen Geschmack war er relativ tief. Ich kannte mich da nicht aus, aber der Grund verschwamm bereits, obwohl er noch zu erkennen war. Ich fragte mich natürlich, weshalb Anina so sehr in den Krater hineinschaute und mit wem sie gesprochen hatte, doch auf den ersten Blick hin war nichts zu sehen.
Die Ränder des Lochs zeigten keine Glätte. Sie waren an den Seiten mit tiefen Kerben versehen, so dass diese so etwas Ähnliches wie ein Relief bildeten. In und an ihnen hatten sich die Feuchtigkeit und das Wasser gesammelt. Es lief in kleinen Rinnsalen nach unten, um einen winzigen See zu vergrößern, der sich auf seinem Grund gebildet hatte.
Mich störte die nach oben steigende Luft, wobei das nicht der richtige Ausdruck war, sondern mehr ein Geruch, beinahe schon ein scharfer Gestank.
Er musste sich im Laufe der letzten Tage dort unten gesammelt haben, und ich fragte mich, woraus sich dieser Gestank zusammensetzte. Waren es die Reste des geschmolzenen Metalls, war es das verbrannte Fleisch der Passagiere?
Neben mir atmete Anina heftig. Da ich sie berührte, spürte ich auch ihre Veränderung. Zuerst fand ich keinen Vergleich für ihr Zittern und das gleichzeitige Knistern. Dann kam sie mir vor, als wäre sie elektrisch aufgeladen.
Etwas streichelte meine rechte Wange. Ich bewegte den Kopf nach links und schaute gleichzeitig in die andere Richtung, um zu sehen, dass sich ihre Haare aufgerichtet hatten. Sie lagen auch nicht mehr so dicht zusammen, bildeten jetzt feine Strähnen wie aus unzähligen Spinnenbeinen bestehend, die zitternd und vibrierend in der Luft schwangen und immer wieder versuchten, mich zu berühren, was wohl nicht klappte, da ich zu weit entfernt war.
Warum war dies geschehen? Warum nur bei ihr und nicht bei mir?
Es musste mit dem Krater zusammenhängen und wahrscheinlich mit dem, was sich dort tat.
Hätte ich Anina nicht gehalten, sie wäre zusammengesunken, so aber stemmte ich sie wieder hoch und hörte ihr Stöhnen, das mir beinahe das Herz zerriss.
Sie litt unwahrscheinlich. Sie hatte Angst, sie fing wieder an zu sprechen und zuckte dabei. »Ich will nicht mehr zurück zu mir. Ich will es
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