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0787 - Das Medium

0787 - Das Medium

Titel: 0787 - Das Medium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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dann kommt es mir vor, als wären die Geister all dieser Toten noch hier vereint. Ich höre ihre Stimmen, ihr Flüstern, ihr Wispern, wie sie versuchen, sich aus dem Jenseits zu melden, und dies alles erlebe ich auch in meinen Alpträumen. Ich habe kaum schlafen können, und wenn es dann doch geschah, quälten mich die Träume so stark, dass ich jetzt unter schweren Schuldgefühlen leide.«
    »Das brauchen Sie doch nicht.«
    »Ich weiß, aber es sagt sich so einfach. Ich jedenfalls kann mich kaum dagegen anstemmen.«
    »Ich verstehe.«
    Wir gingen schweigend weiter und hatten nach einigen Minuten den Bach erreicht. Das Eis an den beiden Ufern war längst getaut.
    Einige Reste krallten sich noch im starren Gestrüpp fest. Das Wasser floss schnell. Es schäumte hellgrau über Steine und kleinere Felsbrocken hinweg, und mein Begleiter sprach davon, dass er immer melancholisch wurde, wenn er hier stand und dem fließenden Wasser nachschaute. »Es ist wie ein Leben, Mr. Sinclair. Je älter man wird, umso schneller verrinnt es.«
    »Da haben Sie nicht unrecht.«
    »Lassen Sie uns weitergehen. Wir werden am Ufer bleiben.« Er deutete nach vorn. »Sehen Sie die flache Erhebung dort?«
    »Ja.«
    »Dahinter ist es dann zum Ende gekommen. Zuvor hatte die Maschine schon eine Tragfläche verloren, dann brach sie in der Mitte durch, um schließlich zu explodieren.«
    Ich konnte dem Mann nachfühlen, wie schlimm es für ihn gewesen sein musste, als Zeuge alles zu sehen. Es lag auf der Hand, dass er unter Alpträumen litt.
    Wir gingen nicht schnell, aber auch nicht langsam. Ich hatte Zeit genug, mir die Umgebung anzuschauen. Es war schwer, sie zu beschreiben, weil es einfach nichts zu beschreiben gab. Felder, mal flach, mal erhöhter liegend, aber kein Wald und auch in der Ferne nur eine Straße, die die Landschaft durchschnitt. Der Ort Starry lag hinter uns, ein anderes Dorf geriet nicht in unseren Sichtbereich.
    »Riechen Sie es schon?«, fragte Aldrin.
    »Was?«
    »Die Erde«, flüsterte er, »die verbrannte Erde. All das verschmorte Fleisch der Leiber. Ich… ich kriege diesen Geruch einfach nicht aus der Nase, und jetzt, wo wir fast an der Stelle sind, trifft er mich umso schlimmer.«
    Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Es wird vergehen, Mr. Aldrin. Die Zeit löscht die Erinnerung an den Schrecken aus, glauben Sie mir.«
    »Bei mir wohl nie. Ich hatte gedacht, aussteigen und mir ein warmes Nest schaffen zu können und hätte nie damit gerechnet, die Kälte des Todes zu erleben. Aber was rede ich, kommen Sie, ich will Sie an die zentrale Stelle führen.«
    Um sie zu erreichen, mussten wir die flache Erhebung überqueren.
    Der Dunst war nicht mehr so dicht wie am Vormittag. Er hatte sich zwar nicht ganz gelöst, war dafür höher gezogen, den Wolken nach, die auch nicht mehr so tief lagen.
    Wir blieben stehen.
    »Schauen Sie, Mr. Sinclair!«
    Mein Magen zog sich zusammen, als ich auf das Feld des Schreckens starrte, auf ein gewaltiges Grab ohne Tote, dafür aber auf zwei schwarze Krater. Einen hatte das Heck hinterlassen, den anderen der Bug.
    »Einmal fand ich eine Puppe«, sagte Wayne mit leiser Stimme.
    »Sie war fast unversehrt, nur an den Haaren etwas angesengt. Stellen Sie sich das vor, eine Puppe! Aber Menschen haben nicht überlebt. Sie sind… alle umgekommen.«
    Um die beiden Krater herum wuchs nichts Grünes mehr. Die Flammen hatten alles versengt, und was dabei in den Boden gesickert war, konnte nicht mal geschätzt werden. Hier hatte der Sensenmann wirklich ganze Arbeit geleistet.
    Aldrin deutete auf den etwas entfernter gelegenen Krater. »Da habe ich sie gesehen, Mr. Sinclair. Allerdings hatte sich die Nase tief in den Boden gebohrt. Sie ist aus dem Cockpit gestiegen und…«
    »War das überhaupt möglich, wo sich der Bug doch wie eine Lanze in den Boden gebohrt haben muss?«
    Er strich über sein Haar. »Ich weiß es nicht.«
    »Ja, möglich.«
    »Wollen wir hingehen, Mr. Sinclair?«
    »Sicher, deshalb bin ich ja hier.«
    Als wir gingen und unsere Füße über die verbrannte Erde schleiften, blieb mein Begleiter stumm. Hin und wieder zuckte sein Mund.
    Er hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
    Ich empfand die Umgebung als anders. Es war schwer zu erklären.
    Der Wind war kälter geworden. Er fuhr gegen mein Gesicht, als würde er kleine Eisstücke mitbringen, und ich sah ihn auch nicht als einen normalen Wind an. Er kam mir anders vor, als hätte er seinen Ursprung in einer tödlichen, nicht

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