0789 - Der Zombie-Teich
blickte mich an. Ich sah das Weiße in ihren Augen. »Können Sie sich vorstellen, was in mir vorging?« Sie wurde plötzlich wieder offiziell. »Können Sie sich vorstellen«, wiederholte sie, »wie einer Mutter zumute ist, wenn man ihr die vier Nachkommen nimmt, die zudem noch unschuldig am Tod dieses Mädchens waren? Der wahre Mörder wurde später gefunden, es war der eigene Cousin, aber das spielte für diese ehrbaren Bürger keine Rolle. Sie hatten auch später kein schlechtes Gewissen. Ich habe gefleht und gebettelt, aber sie schlugen auch mich zusammen. Einige wollten mich ebenfalls köpfen, davon ging man ab, und nur meinen Söhnen wurden die Köpfe abgeschlagen. Zuvor jedoch habe ich die Mörder und alle anderen ehrbaren Bürger verflucht. Keiner von ihnen ahnte, über welche Kräfte ich verfügte, dass es mir gelungen war, mit dem Reich der Dämonen Kontakt aufzunehmen. Ja, ich konnte sie alle täuschen. Ich habe sie verflucht, ich habe meine toten Söhne beschworen, und sie wurden verscharrt. Ich habe in der Nacht ihre Gräber geöffnet, ich habe die Köpfe hervorgeholt und sie in den Teich geworfen, und ich habe ihre Körper durch die Kraft einer bösen Magie nicht verkommen lassen. Die Jahre vergingen, ich habe nichts vergessen. Ich wurde alt, sehr alt, man sieht es mir nicht an, aber ich bin schon neunzig. Die Rache hat mich einigermaßen jung erhalten, und es mussten fünfzig Jahre vergehen, als mir in den Sinn kam, mit den Menschen aus der kleinen Stadt abzurechnen.«
Sie hob mit einer müden Bewegung die Schultern, und ich lauschte gespannt ihren weiteren Worten. »Es war zu lange. Man sagt, dass die Zeit viele Wunden heilt. Das habe auch ich erleben müssen. Die Zeit hat die Wunden geheilt. Wasser ist über das Feuer meiner Rache gegossen worden, aber ich konnte den Fluch selbst nicht mehr zurücknehmen, es war mir unmöglich. Noch einmal legte ich die Karten, und sie haben mir gesagt, dass mir das Schicksal in der Nacht jemand schicken würde, der meine Söhne, der die Rache stoppen kann.« Sie blickte mir direkt ins Gesicht. »Dieser Jemand sitzt nun vor mir.«
Ich räusperte mich. Da hatte sie Recht. Ich war gekommen, und das Schicksal hatte einen Bogen geschlagen. Ich war jetzt froh darüber, dass mich der Weg hierher geführt hatte. Wenn alles stimmte, dann war ich tatsächlich dank meiner Waffen in der Lage, das Grauen erst gar nicht hochkommen zu lassen.
»Jetzt weißt du alles, und ich bitte dich, meine Söhne zu stoppen. Selbst als Mutter flehe ich dich an, dich gegen meine Söhne zu stellen und sie zu vernichten.«
Ich schwieg, weil mir vieles durch den Kopf ging. Teresa hatte Verständnis dafür, sie ließ mich auch nachdenken, und ich schaute hin und wieder über die bewegungslos daliegende Wasserfläche, die ein schreckliches Geheimnis verbarg.
»Wirst du sie vernichten?«
Meine Zunge feuchtete die Lippen an. »Ich werde es zumindest versuchen, Teresa.«
»Danke.«
»Es wird nicht einfach sein, das weißt du auch.«
Sie nickte. »Ja, aber ich habe Vertrauen, denn die Karten haben mich noch nie angelogen.«
Zwar wollte es mir nicht in den Kopf, dass jemand den Karten dermaßen viel Vertrauen schenken konnte, aber Teresa schien darin Erfahrung zu haben, zudem war es ihr gelungen, Kontakt mit anderen Mächten aufzunehmen, und da wurden oftmals Dinge wahr, die man eigentlich als unmöglich ansehen musste.
Ich nickte. »Wenn es sein muss, und wenn mir die Kopflosen noch einmal über den Weg laufen, werde ich es versuchen.« Ich zog an der Silberkette, die ich um den Hals trug, und wenig später lag das Kreuz frei auf meiner Brust. Es hob sich von der dunklen Farbe des Pullovers sehr gut ab, es fluoreszierte. Es gab ein leichtes, silbriges Flimmern von sich, es war einfach da, und es strahlte etwas ab, das auch die zuschauende Teresa nicht unberührt ließ.
Sie runzelte die Brauen, zog ihre Schultern zusammen, nickte aber dann. »Das ist der Beweis, dass du der Richtige bist.«
»Du fürchtest dich nicht vor dem Anblick?«
»Nein, denn ich selbst bin kein Dämon. Ich bin eine sehr alte Frau, die endlich ihren Frieden finden will. Wenn meine Söhne nicht mehr sind, will auch ich nicht mehr sein.«
Das konnte ich sogar verstehen, auch wenn ich es ihr nicht zugestand. Noch hatte sich nichts getan. Diese Nacht war ruhig.
Das Boot lag ruhig auf der glatten Fläche. Bis zu dem Zeitpunkt, als die Stille durch einen dumpfen Schlag an der rechten Bordwand unterbrochen wurde.
Beide
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