079 - Die Abenteuerin
entgegnete Peter. »Sie haben Remingtons Schlüssel, und der, den wir nach dem Mord unter dem Tisch im Büro fanden, gehört Ihnen.«
»Das ist vollkommen unmöglich!« erklärte Lord Claythorpe unnötig laut.
»Es passieren manche Dinge, die man für unmöglich hält«, erwiderte Peter.
»Aber man kann doch diese Tatsachen sehr einfach erklären -«, begann Claythorpe.
Peter brachte ihn jedoch durch eine Handbewegung zum Schweigen.
»Selbstverständlich kann man alle möglichen Erklärungen finden. Wenn Sie wollen, gibt es hundert, von denen keine widerlegt werden kann. Ich nehme nur einmal an, daß Sie beide die Schlüssel auf den Tisch gelegt hatten, und daß sie dann verwechselt wurden, ohne daß Sie es merkten. Ich habe niemals behauptet, daß Sie das nicht erklären könnten. Ich habe nur eine Tatsache erwähnt, die im Augenblick noch gar keine oder nur geringe Bedeutung hat.«
Grandman und Peter Dawes verließen zusammen das Haus. Der Lord ging ruhelos in seinem Arbeitszimmer auf und ab. Nach einiger Zeit setzte er sich und begann eifrig zu schreiben. Dann nahm er ein großes, festes Kuvert aus einer Schublade seines Schreibtisches. In dieses schob er ein Schriftstück, nachdem er es noch einmal eingehend betrachtet hatte. Es war ein Schuldschein über hunderttausend Dollar von der American Smelting Corporation. Aus einem besonderen Grund wollte er dieses wertvolle und wichtige Dokument augenblicklich aus dem Hause schaffen. Er adressierte den Brief an sich selbst, zog dann eine Schublade auf und entnahm ihr ein Kästchen, in dem er ungebrauchte Briefmarken aus allen möglichen Ländern hatte. Er klebte einige australische Marken auf den Umschlag, steckte ihn dann in ein etwas größeres Kuvert und adressierte dieses an den Direktor einer australischen Bank, mit dem er schon früher in Geschäftsverbindung gestanden hatte. Er fügte einen Brief hinzu, in dem er mitteilte, daß er zur gleichen Zeit wie der Brief in Australien einzutreffen hoffte.
Sollte ich jedoch, lautete der Text weiter, durch irgendeinen Umstand an meiner Reise nach Australien gehindert sein und eine Woche nach Ankunft des Briefes noch nicht persönlich bei Ihnen in der Bank vorgesprochen oder Ihnen ein Telegramm geschickt haben, daß Sie den Brief noch länger aufbewahren sollen, dann senden Sie ihn bitte eingeschrieben an meine Londoner Adresse zurück.
Als der Lord den Briefumschlag zugeklebt hatte, atmete er auf, denn er war überzeugt, etwas sehr Vernünftiges getan zu haben. Dieses wichtige Dokument würde wenigstens zwei Monate lang außer Landes bleiben. Er überlegte, ob er es als Einschreiben senden solle, schüttelte aber nachdenklich den Kopf. Das konnte ein Anhaltspunkt für die Polizei sein. Es war immerhin denkbar, daß nachgeforscht wurde, und wenn die Polizei erst Erkundigungen in dieser Hinsicht einzog, dann machte es keine Schwierigkeiten, eine solche eingeschriebene Sendung festzustellen. Bei der Gelegenheit würde natürlich auch die Adresse herauskommen, an die er den Brief aufgegeben hatte. Nein, er hielt es für besser, den Brief als gewöhnliche Postsendung abgehen zu lassen. Er nahm Hut und Mantel und trug den Brief selbst zum nächsten Postamt.
Bei seiner Rückkehr meldete der Butler, daß Miss Wilberforce auf ihn warte.
»Miss Wilberforce?« sagte der Lord erstaunt. »Ich dachte, sie hielte sich auf dem Land auf?«
»Sie kam ein paar Minuten, nachdem Sie gegangen waren, Mylord.
»Das ist ja ausgezeichnet!«
Joyce war allerdings die letzte, die er in diesem Augenblick gern sah. Er atmete aber erleichtert auf, als er daran dachte, wie unangenehm es gewesen wäre, wenn sie ihn vorher beim Briefschreiben überrascht hätte. Jedenfalls war es ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß sie ihn gerade an diesem Abend besuchte.
Als er in sein Arbeitszimmer trat, stand sie am Schreibtisch. Er ging mit ausgestreckten Händen auf sie zu.
»Meine liebe Joyce«, sagte er, scheinbar freudig überrascht, »was führt dich denn hierher?«
»Ich habe ein Telegramm erhalten, in dem mir der Einbruch in dein Büro mitgeteilt wurde.«
Er dachte daran, daß er Miss Wilberforce nicht davon benachrichtigt hatte, obwohl der Einbruch doch sie am meisten anging.
»Wer hat dir das Telegramm gesandt?«
»Die Polizei.«
Er sah sie erstaunt an. »Aber du kannst das Telegramm doch frühestens um elf Uhr erhalten haben. Wie bist du denn hergekommen?«
Sie lächelte leicht. »Ich bin mit dem Flugzeug von Falmouth nach London
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